Viel Lärm um die Ohren

Espressomaschinen, Walkmen, klirrende Gläser und kreischende Kinder: Die nervigsten Krachmacher in einer Millionenstadt  ■ Von Lisa Schönemann

Gibt es ein schöneres Geräusch als den Milchaufschäumer einer altersschwachen Espressomaschine in Aktion? Früh um sechs schlägt das Pfeifen aus der bemannten Küche das Kreischen der S-Bahn in der Zielgeraden kurz vor der Ohrmuschel um wenige Dezibel. Tagsüber kämpfen die Buddelheimer in der Sandkiste im Hinterhof lautstark um jeden Quadratzentimeter Lebensraum. Selbst nachts erinnern die rhythmischen Bässe aus dem Erdgeschoß daran: Du bist nicht allein.

Der Schall, der unser Innenohr erreicht, wird von den Physikern in Dezibel gemessen. Ein Motorrasenmäher kann da schon mal mit 105 Dezibel zu Buche schlagen, ein Probelauf von Düsenflugzeugen mit 120. Ein Schalldruckpegel von über 85 Dezibel schädigt das Gehör.

Die Umweltberatungsstellen der Bezirksämter zeigen bis zum 27. Februar 1997 im Wandsbeker Quarree eine Ausstellung zum Thema Lärmbelästigung. Versteckt hinter dicken Zeitungsregalen der Bücherhalle haben die emsigen AusstellungsmacherInnen in zwei Meter Höhe 13 eng bedruckte Schautafeln mit dem Titel „Viel Lärm um nichts“ aufgehängt.

Die meisten Beschwerden erhalte das Umweltamt Wandsbek von AnwohnerInnen der Großen Mobilitätsschneisen wie der B 75 und wegen Tischlereien und KFZ-Werkstätten in Wohngebieten, meint Angelika Gerlach von der Umweltberatungsstelle des Bezirks. Last but not least stört das Klirren der Weizenbiergläser niemals die, die am Tresen sitzen, sondern die Neider vor der Tür: Eine Anwohnerinitiative in Wandsbek sammelte deshalb Unterschriften gegen eine Gaststätte in der Nachbarschaft. Der pfiffige Wirt hängte die Namensliste prompt in seiner Kneipe auf.

„Viele nehmen Lärm als Umweltbelastung erst wahr, wenn sie darauf angesprochen werden“, sagt Angelika Gerlach. Für Jugendliche, deren Walkmanlautstärke die Beraterin in Hamburger Schulen gemessen hat, sind stundenlange Beschallungen mit 100 und mehr Dezibel nichts Ungewöhnliches. „Lärmschwerhörigkeit wird oft erst festgestellt, wenn die Jungs zum Bund müssen“, hat Angelika Gerlach beobachtet. Nun versucht sie, die Kids mit Aufnahmen zu schocken, wie nervig der Alltag durch ein Hörgerät zu erfahren wäre.

Das geplagte Großstadtohr fühlt sich jedoch oft weniger von zivilisatorischen Massenerscheinungen belästigt, die nur auf dem Klagewege beseitigt werden können. Meist sind es der Barde mit der Westerngitarre in der S-Bahn oder die Kinder auf dem Spielplatz gegenüber, die das Faß zum Überlaufen bringen. Manchmal ist es auch der Frosch in Nachbars Gartenbiotop. Diesem darf jedoch niemand an die Gurgel gehen: Denn solange erfolgversprechende Maßnahmen zur Lärmverhinderung naturschutzrechtlich verboten sind, ist das Quaken nicht rechtswidrig.