Nachgefragt
: Bremer Juden selbstbewußt

■ Coming-Out: Abschied vom verschleiernden „israelitisch“

52 Jahre nach Kriegsende hat sich die „Isrealitische Gemeinde in Bremen“ umbenannt. Die Glaubensgemeinschaft, die sich kurz nach Kriegsende 1945 in Bremen wieder zusammenfand, heißt jetzt „Jüdische Gemeinde“. Sie steht heute vor neuen Aufgaben, denn seit Beginn der 90er Jahre verfünffachte sich die Zahl ihrer Mitglieder – vor allem durch Zuwanderung russischer JüdInnen. Über die moderne Gemeinde sprach die taz mit Elvira Noa, Mitglied im Gemeinderat.

Frau Noa, der neue Name „Jüdische Gemeinde“ klingt nach einem Coming-Out. Fühlen Sie sich jetzt besser?

Elvira Noa: Ja. Die Umbenennung war ja ein Wunsch von vielen Mitgliedern. Dafür sprachen vor allem zwei Gründe. Vor allem die jüdischen Zuwanderer haben oft gar nicht verstanden, was das Wort „israelitisch“ bedeutet. Wieder andere haben es oft mit israelisch verwechselt...

...wie unangenehm.

Ja, weil wir keine israelischen Staatsbürger sind, und auch kein Freundschaftsverein oder so. Sondern wir sind die jüdische Gemeinde und deutsche Staatsbürger wie Sie auch.

Es heißt, daß die Bezeichnung „israelitisch“ im 19. Jahrhundert gewählt wurde, um dem durch Antisemitismus begründeten Assimilierungsdruck zu entgehen. Gibt es heute weniger Antisemitismus – oder ein neues jüdisches Selbstbewußtsein?

Es gibt ein neues Selbstbewußtsein. Das ist in den jüdischen Gemeinden in ganz Deutschland so und liegt unter anderem an der Zuwanderung, aber auch daran, daß man ein neues Selbstverständnis sucht – weil man hier bleiben will. Nicht umsonst liest man zunehmend davon, daß die Juden in Deutschland jetzt ihre Koffer ausgepackt haben. Das liegt wohl daran, daß man jetzt die Bedingungen dafür hat, daß man hier bleiben kann. Dieses Gefühl ist gewachsen, es ist schließlich Realität, daß man hier seit 50 Jahren lebt.

Ist der Antisemitismus weniger geworden?

Der Antisemitismus ist glücklicherweise, wohl auch aufgrund der politischen Einstellung und der Arbeit über die Vergangenheit, doch nicht so nach außen getragen worden, wie beispielsweise in Rußland, in der Ukraine. Er ist auch nicht so vehement, wie zur Zeit in England oder Frankreich. Man kann damit leben. Der Antisemitismus ist eben überall in der Welt präsent.

Es scheint, als müßte die jüdische Gemeinde gerade ihren neu zugewanderten Mitgliedern jetzt einen deutlichen Identifikationspunkt anbieten – der sich schon im Titel erschließen soll.

Die Zuwanderer müssen sich natürlich als Ausländer hier behaupten und in diese Gesllschaft hineinwachsen. Und sie müssen zugleich als Juden, die ihre jüdischen Traditionen bislang verloren hatten, in die Gemeinden hineinwachsen. Sie sollen Juden werden und sich als solche hier freier fühlen als sie das bisher konnten.

Liegt Bremen mit dem offenen Bekenntnis zum Judentum im bundesdeutschen Trend?

Auf jeden Fall. Was die Namensgebung betrifft, nennen sich die großen Gemeinden alle jüdische Gemeinden. Auch Mannheim hat sich, allerdings schon in den 60er Jahren, in jüdische Gemeinde umbenannt. Für Bremen hat das jetzt angelegen, weil sich hier ein jüdisches Leben entwickelt, wie es das früher nicht gab.

Was muß die nächste Reform sein – nach Namensänderung und der neuen Gemeindeverfassung, die die Aufgaben in der wachsenden Gemeinde klarer strukturiert?

Im Moment muß nichts reformiert werden. Jetzt muß aufgebaut werden. Erst wenn aufgebaut wurde, kann wieder reformiert werden. Wir beginnen ja erst mit neuen Unternehmungen, die Eröffnung eines jüdischen Kindergartens beispielsweise. Es muß auch mehr für die Senioren und für Jugendliche getan werden. Fragen: Eva Rhode