Strieder als Meister Propper

Heute soll der „Aktionsplan Sauberes Berlin“ verabschiedet werden. Künftig müssen Hauseigentümer zahlen, wenn sie Graffiti nicht entfernen  ■ Von Uwe Rada

Der Mann hat ein politisches Feingefühl wie Gerhard Schröder und eine Nase wie ein Trüffelschwein. Wo es auch müffelt und stinkt in dieser Stadt, Umweltsenator Peter Strieder (SPD) schnuppert es als erster. Und weil das so ist, dreht der smarte Aparte nicht nur ständig seine Nase in den Wind, sondern nimmt auch noch der CDU die letzte Law-and-order-Bastion: den Kampf gegen das Schmuddelimage der Hauptstadt.

Wie sehr Strieder bereits seinem Kollegen Jörg Schönbohm die Befehlshoheit in Sachen Ordnung und Sauberkeit abgekämpft hat, zeigt sein neuster Coup. Er heißt „Aktionsplan Sauberes Berlin“ und soll heute im Senat verabschiedet werden. Vorgesehen ist nicht nur, gegen die Vermüllung des Kurfürstendamms vermittels eigener Reinigungsfahrzeuge zu Felde zu ziehen. Auch den Hundekot will Strieder mit seiner weißen Weste entfernen. Ganz entschieden freilich hat sich der Mann mit der Designerbrille dem Design an den Berliner Häuserwänden verschrieben. Um als Sieger gegen die Graffiti- Sprayer hervorzugehen, will Strieder sogar den Hauseigentümern ans Leder. Die dürfen dann zwar weiter Wohnungen leer stehen lassen, müssen aber, um eine saubere Fassade zu zeigen, neue Graffiti künftig binnen vierundzwanzig Stunden entfernen. Geschieht dies nicht, erklärt Strieders Sprecher Joachim Günther, komme eine Kolonne der BSR und entferne die „Schmierereien“. Auf Rechnung der Eigentümer. Damit sich das Ganze auch lohnt, wurde in Senatskreisen darüber nachgedacht, daß das Land Berlin für eine sogenannte Erstreinigung aufkommt. Am Haus- und Grundbesitzerstand wäre es dann, die Häuserwände mit einem Schmutzanstrich zu versehen.

Laut Günther ist das alles bereits mit den Haus- und Grundbesitzerverbänden und den städtischen Wohnungsbaugesellschaften abgesprochen. Zwar firmiert der „Aktionsplan Sauberes Berlin“ offiziell als Koproduktion von Justizsenatorin Peschel-Gutzeit, dem Regierenden Bürgermeister und dem Umweltsenator. Intern jedoch gilt der einstige SPD-Linke als Einpeitscher. Selbst die Justizpressestelle wollte das Vorhaben zunächst nicht kommentieren und verwies auf die Kollegen im Hause „SenStrieder“. Tatsache ist: Strieders Verwaltung ist in Sachen Hauptstadtsäuberung nunmehr federführend, und der Saubermann läßt es sich auch nicht nehmen, das Thema heute höchstselbst im Senat vorzutragen.

Wenn es um Sauberkeit geht, spielt es wohl auch keine Rolle, wenn das Verfahren selbst noch etwas unreif ist. „Über die rechtliche Umsetzbarkeit des Verfahrens gibt es noch unterschiedliche Meinungen“, räumt Justizpressesprecherin Corinna Bischoff ein. Im Klartext: Erst wird beschlossen, dann geprüft. Bei den Wohnungsbaugesellschaften indes gibt man sich intern entsetzt bis erheitert, offiziell immerhin „skeptisch“. „Über die Realisierung des Verfahrens ist noch zuwenig nachgedacht worden“, sagt eine Sprecherin der größten Berliner Wohnungsbaugesellschaft, GSW. Ein Graffito an einer Häuserwand, so die Sprecherin, „betrachten wir nicht als Notfall“.

Für „nackten Wahnsinn“, gar „rot-schwarzen Sozialismus“ hält der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland, der einst Innensenator Jörg Schönbohm das Prädikat „Meister Propper“ verlieh, Strieders Waschzwang. „Was wäre denn, wenn ich als Hauseigentümer mein Haus selbst mit Graffiti bemale?“ staunt Wieland über die planwirtschaftliche Kompetenz des Sozialdemokraten. Das sei rechtlich überhaupt nicht machbar und überdies ein Ausdruck absoluter Hilflosigkeit, folgert Wieland. „Der Strieder“, seufzt der Bündnisgrüne, „ändert seine Meinung mittlerweile so schnell, daß man für ihn fast eine neue Zeitrechnung einführen müßte.“