Durchsichtige Geschäfte

UKE: Schaden in Millionenhöhe durch fingierte Handwerkerrechnungen. Zwei Mitarbeiter und ein Glasermeister vor Gericht  ■ Von Lisa Schönemann

Die sogenannte Glas-Mafia muß sich seit gestern vor dem Landgericht wegen Untreue, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung verantworten. Ein cleverer Glasermeister und zwei Klinikbedienstete sollen dem Uniklinikum Eppen-dorf (UKE) jahrelang fingierte Rechnungen für angeblich ersetzte Fensterscheiben untergeschoben haben. Von 1983 bis 1991 sollen jährlich bis zu zwei Millionen Mark an den Glaser gegangen sein. Am Ende hatte sich der Glasbruch gigantischen Ausmaßes bis in die fensterlosen Räume des Krankenhauses ausgebreitet.

Die Idee des Scherben-Trios ließ sich offenbar jahrelang in Bare ummünzen. Ein 49 Jahre alter Amtsrat und ein 55jähriger Angestellter der technischen Abteilung vermittelten dem Glasermeister die Aufträge. Eines Tages habe der Amtsrat 1.000 Mark von ihm haben wollen, erinnerte sich der 62jährige Glaser nun vor Gericht. Er habe dem Herrn monatlich bis zu 5.000 Mark Schmiergeld gezahlt. „Was sollte ich machen?“, fragte er gestern hilflos. Sein mittlerweile geschlossener Betrieb sei zu 90 Prozent vom UKE abhängig gewesen.

Laut Anklage sollen der inzwischen suspendierte Amtsrat mindestens 64.000 und der entlassene Techniker 40.000 Mark eingesteckt haben – nicht gerechnet die Kosten für die Verschönerungen ihrer Eigenheime. So soll der Glaser etwa im Garten eines Mitangeklagten ein Badehaus errichtet haben. Nach eigener Aussage bekam er dafür einen Blanko-Reparaturauftragsblock und marschierte auf der Suche nach Glasbruch durch die Klinik. Weil selten wirklich Thermopenfensterscheiben zu Bruch gingen, wurden die Aufträge fingiert.

Später soll der Rechnungshof verlangt haben, daß die Reparaturarbeiten von einer Krankenschwester quittiert werden. „Schwester Inge“ unterzeichnete der Glasermeister fortan in der entsprechenden Spalte, wenn angeblich zum x-ten Mal die Scheibe der Eingangstür der Psychiatrie ersetzt worden war. Hinterher will der 62jährige die Gewinne ordnungsgemäß versteuert haben. Der Betrug flog durch Zufall auf, als ein anderer UKE-Mitarbeiter seine gefälschte Unterschrift auf einem Auftragszettel entdeckte.

„Alles erstunken und erlogen“, protestierte der Amtsrat gestern vor Gericht. Er habe mit der Sache nichts zu tun. Auch der Dritte im Bunde, der Techniker, will niemals Bakschisch erhalten haben. Er habe den Glaser, der jetzt acht Millionen Mark Schadensersatz an die Hansestadt zahlen muß, stets für einen ehrenwerten Mann gehalten.

Der Ausgang des Verfahrens steht derzeit in den Sternen. Von den insgesamt 3.500 Vorwürfen gegen die drei Angeklagten sind 1.200 seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) von 1994 verjährt. Damals hat der BGH den sogenannten Fortsetzungszusammenhang abgeschafft. Die verbleibenden 2.300 Fälle mußten nun einzeln angeklagt werden. Auf Anraten der Kammer beschränkt sich der Prozeß jetzt auf 400 Punkte und ein Schadensvolumen von rund 500.000 Mark. Ein Kriminalbeamter hat akribisch hunderte von Fensterscheiben aufgelistet, die angeblich ersetzt wurden, aber noch den Stempel ihres Einbaus von 1980 tragen. Gelingt es den Richtern nicht, bis Mai zu einem Schuldspruch zu kommen, steht die Justiz vor einem Scherbenhaufen: Dann läuft die Verjährungsfrist für die zur Debatte stehenden Anklagepunkte ab.