■ Ist die deutsch-tschechische Deklaration in Gefahr?
: Innenpolitische Ranküne

Als vertrauensbildende Maßnahme war das lange Hin und Her um die deutsch-tschechische Erklärung sicherlich nicht geeignet. Die Tolpatschigkeit, die die Bonner Politik bei den Verhandlungen an den Tag legte, schürte erfolgreich tschechische Ängste vor dem großen Nachbarn. Die deutsch-tschechische Deklaration mag Lücken aufweisen – trotzdem muß sie jetzt dringend von den beiden Parlamenten so schnell wie möglich angenommen werden. Sonst droht die Gefahr, daß sie zu innenpolitischen Zwecken instrumentalisiert wird. Das Scheitern der Deklaration im tschechischen Parlament – und darum geht es – würde nicht nur der sudetendeutschen Landsmannschaft eine späte Genugtuung verschaffen und ihre Positionen wieder stärken, sondern auch für Helmut Kohl eine politische Schlappe bedeuten, allerdings eine selbstverschuldete. Denn durch seine Äußerung in Prag – daß die Vermögensansprüche der Sudetendeutschen durch die Erklärung nicht berührt werden – hat er die Irritationen auf der tschechischen Seite größtenteils selbst verursacht. Der Kanzler, dessen Demontage mit dem neuen Jahr so offensichtlich begann, braucht wieder Verbündete. Ein freundlicher Wink an die CSU kann in dieser Situation nicht schaden.

Genauso instrumentalisiert aber auch der starke Mann der tschechischen Sozialdemokratie Miloš Zeman die Erklärung für innenpolitische Zwecke. Mit seinem Widerstand gegen die Erklärung will er für sich die älteren Wähler, die der Erklärung reserviert bis ablehnend gegenüberstehen, für sich gewinnen und gleichzeitig auch seine politische Position in der Partei stärken. Zeman, der die Sozialdemokratie mit seiner geschickten Wahlkampagne 1996 zum Erfolg verhalf, ist gleichzeitig ihr größtes Problem. Denn der grobschlächtig agierende unberechenbare Machtpolitiker Zeman ist für breite Kreise der tschechischen Intelligenz nicht wählbar – und dies, obwohl sie im Prinzip eine starke sozialdemokratische Opposition für nötig hält. Wurde Zeman bisher mit der Sozialdemokratie schlechthin identifiziert, so melden sich inzwischen hinter seinem Rücken einige vielversprechende PolitikerInnen, allen voran Petra Buková. Diese Konkurrenz möchte Zeman am liebsten ausschalten. So sollte Zeman bei seinem Besuch in Bonn nur soviel Erfolg beschieden sein, der es ihm ermöglicht, für die Deklaration zu stimmen, ohne seine Position in der Partei zu stärken. Alena Wagnerová

Die Autorin lebt seit den 60ern als Publizistin in Saarbrücken