Ende der Pax Mafiosa

■ Mordpläne in Sizilien entdeckt

Rom (taz) – Nach mehr als vier Jahren relativer Ruhe an der sizilianischen Mafia-Front scheint die von den Clans ausgerufene „Pax Mafiosa“ nun ein abruptes Ende zu nehmen: Am frühen Dienstagmorgen verhaftete die Polizei in Palermo acht Personen der als besonders grausam geltenden „Familie“ vom Corso dei mille unter dem Vorhalt, ein Sprengstoffattentat gegen den Antimafia-Chefermittler Giancarlo Caselli, 65, vorbereitet zu haben. Nach den Erkenntnissen der Polizei hatten die Mafiosi Kontakte zu einem Angehörigen der Fahrbereitschaft des Justizpalastes aufgenommen mit dem Ziel, eine Bombe direkt im gepanzerten Wagen des Oberstaatsanwalts zu plazieren.

Seither herrscht höchste Alarmbereitschaft in allen sizilianischen Sicherheitsämtern: Erfahrungsgemäß wird die Mafia gerade nach der Verhinderung eines Attentats besonders aggressiv, muß sie doch ihren Geschäftspartnern beweisen, daß sie „Todesurteile“ in jedem Falle durchführen kann.

Caselli ist der direkte Nachfolger des 1992 durch eine Höllenmaschine ermordeten Staatsanwalts Paolo Borsellino, der seinerseits die Arbeit des kurze Zeit zuvor ebenfalls per Dynamit umgebrachten Giovanni Falcone fortgeführt hatte. Auch bei Falcone hatte es zuerst einen Fehlversuch gegeben, bevor mit über 500 Kilogramm Dynamit eine ganze Autobahnbrücke in die Luft gesprengt wurde, über die der Konvoi Falcones gerade fuhr.

Caselli gilt als einer der erfolgreichsten Mafiajäger: Mehr als 3.000 Personen hat er seit seinem Amtsantritt 1993 festnehmen lassen, gut zwei Drittel davon wurden bereits verurteilt; eine riesige Aussteigerwelle war die Folge, derzeit arbeiten fast 1.500 ehemalige Mafiosi mit der Polizei zusammen.

Angesichts dieses Drucks hatte die Mafia mehrere Jahre den Kopf eingezogen. Inzwischen jedoch lassen die Politiker die Ermittler wieder allein; die Leitung der parlamentarischen Antimafiakommission etwa wurde lauter unerfahrenen Abgeordneten übertragen – für die „Ehrenwerte Gesellschaft“ wohl ein Zeichen für „bessere Zeiten“ und ein Startsignal, um endlich für die Erfolge der Ermittler Rache zu nehmen. Werner Raith