Interview: Reinhard Wagner
: „Die Szene zersplittert“

■ Hamburgs Verfassungsschutz-Chef über neue Tendenzen am rechten Rand

taz: Herr Wagner, der Hamburger Landesverband der rechtsextremen Jungen Nationaldemokraten hat sich aufgelöst. Der ehemalige Sprecher Jan Zobel hat in der taz angekündigt, Leute in der FDP unterbringen zu wollen. Wird die FDP ein Fall für den Verfassungsschutz?

Reinhard Wagner: Natürlich nicht. Wir beobachten die extremistischen Parteien, nicht aber FDP oder GAL.

Ob die FDP nun von Neonazis unterwandert wird, werden Sie nicht kontrollieren?

Daß die JN das erforderliche Potential hat und daß die Absicht ernstzunehmen ist, in bürgerliche Parteien einzutreten, bezweifle ich.

Es wäre nicht der erste Fall in Hamburg. Aus der Statt Partei ist vorige Woche nach langem Streit Stefan Wartisch ausgetreten, Autor der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ und Mitbegründer des neurechten Hamburger Kreises.

Wir bekommen von den Parteien keine Listen ihrer Mitglieder. Deshalb können und dürfen wir nicht kontrollieren, wer dort eintritt. Und das ist auch richtig so.

Die Hamburger JN hat sich aufgelöst, weil es mit dem Bundesverband Streit um die künftige Linie gegeben habe: Klassische altrechte Themen oder ein neuer, sozialer Schwerpunkt. Worüber streiten die Neofaschisten genau?

Es sind in der neonazistischen Szene zwei Strömungen zu beobachten: Nach wie vor wird die alte NS-Ideologie unverblümt wiedergeben. Daneben wird der sogenannte „progressive Nationalismus“ vertreten. Es gibt junge Neonazis, die sich von herkömmlichen alten Zeichen und Symbolen lösen. Sie vertreten rechtsextremes Gedankengut in abgewandelter Form.

Alte Inhalte in neuem Gewand oder ändert sich auch die Ideologie?

Ob mit der Veränderung auch ein Gesinnungswandel verbunden ist, muß abgewartet werden.

Führt der Richtungsstreit zur Schächung der Szene oder ist eher zu befürchten, daß der „progressive Nationalismus“ weitere Kreise anspricht?

Die Zersplitterung der Neonazi-Szene hält unvermindert an. Es erscheint zweifelhaft, daß der sogenannte „progressive Nationalismus“ weitere Kreise anspricht. Bislang hat die neue Linie den neonazistischen Gruppierungen keinen Zulauf gebracht.

Fragen: Elke Spanner