Milliarde gegen den Blanken Hans

■ „Generalplan Küstenschutz“ soll Nordseeküste gegen Sturmfluten sichern / Konflikte mit Naturschützern „im Vorfeld regeln“

Stürme wüten, Deiche brechen, Wasser flutet. Als vor fast genau 35 Jahren, in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar, die Nordsee tobt und der Wasserpegel in Wilhelmshaven auf 5,21 Meter über Null steigt, sterben hinter den geborstenen Deichen 340 Menschen, in Hamburg lassen 314 ihr Leben. 1973 dann die nächste Katastrophe: Fünf schwere Sturmfluten hintereinander machen die Küstenbewohner durch. Das Land Niedersachsen reagiert, legt den ersten „Generalplan Küstenschutz“ vor und investiert bis jetzt allein im Regierungsbezirk Weser-Ems 2,4 Milliarden Mark in Deichbau, Sperrwerke und Dünenketten.

Doch die Attacken der Nordsee auf die Küste erfordern noch mehr: 1,1 Milliarden Mark, so sieht es der gestern in Oldenburg vorgestellte „Generalplan Küstenschutz“ vor, werden Bund (70 Prozent) und Land (30 Prozent) in den nächsten 20 Jahren gemeinsam in die norddeutschen Deiche stecken. Schließlich, so begründet Regierungspräsident Bernd Theilen die Investitionen, habe es in den vergangenen Jahren viele Sturmfluten gegeben, die noch stärker wüteten als die verheerende Februarflut von 1962.

Allein in diesem Jahr sollen demnach rund 70 Millionen Mark für die Sicherung der Nordseeküste ausgegeben werden, bis zum Jahr 2000 werden es insgesamt 300 Millionen sein. Ein Schwerpunkt des Planes ist der Inselschutz. So sind „kurzfristige Maßnahmen“ vorgesehen, um den bereits stark geschädigten Dünengürtel von Langeoog zu sichern.

Konflikte mit Umweltverbänden sind beim Küstenschutz vorprogrammiert. Regierungspräsident Theilen: „Umwelt- und Küstenschutz lassen sich nicht immer unter einen Hut bringen. Küstenschutz kommt zuweilen ohne Eingriffe in Naturhaushalt oder Landschaftsbild nicht aus“.

So lagen sich Bezirksregierung und BUND bereits im vergangenen Jahr gewaltig in den Haaren. Die NaturschützerInnen hatten per Gerichtsbeschluß einen Baustopp am 6,4 Kilometer langen Seedeich in Cäciliengroden (Kreis Friesland) erwirkt und damit den Zorn der KüstenbewohnerInnen auf sich gezogen. Zehntausende gingen gegen den Baustopp auf die Straße. Vor einer Woche einigten sich BUND und Bezirksregierung außergerichtlich. Das Land trägt die Kosten des Verfahrens, stellt weitere Ausgleichsflächen zur Verfügung und darf im Gegenzug den Deichbau fortsetzen. Grundsätzlich gilt nun für die Bezirksregierung, so Theilen: „Verzögerungen in Deichbaumaßnahmen sind nicht hinzunehmen“. Bedenken der Naturschutzverbände sollen ab sofort „im Vorfeld“ ausgeräumt werden. Naturschützer verbuchen die Einigung als Erfolg, sei doch erstmals festgestellt worden, daß Deichverstärkungen nicht immer nur außerdeichs erfolgen müssen. Statt des ökologisch wertvollen Vorlandes könne auch das Hinterland genutzt werden.

Jens Breder