„Die CDU ist die beste Bürgerbewegung“

■ Ehemalige DDR-Bürgerrechtler ließen sich von der Zehlendorfer CDU bestaunen

Da hatte er sich endgültig verkauft. Erhart Neubert ließ die Zigarette fallen, sprang hastig zur Seite und einem betuchten Zehlendorfer direkt in die Arme. Er sprach: „Wir haben Sie doch heute abend gut bedient.“ Der Mann nickte und schwätzte: „Es war ungemein spannend.“ Neubert lächelte wie ein Stück Sahnetorte, das kurz vor Ladenschluß noch ein gefräßiges Maul gefunden hatte.

Neubert, der Studentenpfarrer aus dem thüringischen Weimar, der Oppositionelle aus Ost-Berlin, der Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs, der Neu- CDUler – Erhart Neubert also, der Bürgerrechtler aus dem Osten, war am Ende dieses Abends „Bürgerrechtler treffen Bürger“ nicht mehr als ein armes Würstchen in der Bratpfanne CDU.

Erhart Neubert hatte sich „einkaufen“ lassen. Von der CDU, als Schnäppchen. Jetzt wird er genüßlich rumgereicht, um in ein paar Monaten verspeist zu werden. Von Uwe Lehmann-Brauns zum Beispiel, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion, der am Mittwoch abend zum Gespräch ins Zehlendorfer Rathaus gebeten hatte. Oder von Michael Bögis, dem CDU-Kreisvorsitzenden Steglitz, der „heute Dinge erfahren hat“, die er „so noch nie gehört hatte“.

Wie er so dasaß, ganz links am Tisch im Zehlendorfer Bürgersaal, neben ihm seine Frau, die Bürgerrechtlerin Hildigund Neubert, einen Platz weiter die Bürgerrechtlerin Angelika Barbe, dann Uwe Lehmann-Brauns, einen Ellenbogencheck daneben der Bürgerrechtler Günter Nooke und ganz rechts außen der Bürgerrechtler Wolfgang Templin – Erhart Neubert glich einem Gestrandeten in einer fremden Welt. Vor ihm, dem Noch-immer-Pfarrer, saßen brave Zehlendorfer, die dicke Brillengläser und ein Gebiß tragen, saßen Mitglieder des CDU-Ortsverbandes, die mal schauen wollten, wie Bürgerrechtler denn so aussehen. Jetzt, da Neubert und Co. auch die Ihren sind, war es nur anständig, den Ostlern Eintritt in die heile Zehlendorfer CDU-Welt zu gewähren.

Mißbraucht? Nein, Erhart Neubert fühlt sich nicht mißbraucht. „Es lag am Image vieler Bürgerrechtler, warum sie nicht in den Westen eingeladen wurden.“ Und es lag an den Vorurteilen, die die Westler hatten. Viele Bürgerrechtler galten eben als links. Und sahen auch so aus.

Neubert ist nicht mehr links. Er ist jetzt in der CDU, in „der wichtigsten, vielleicht einzigen Partei Deutschlands, die dem Totalitären widerspricht“. Er ist jetzt „in der besten Bürgerbewegung“, die er kennt. Er ist endlich da, wo er sich immer wünschte zu sein.

Dort sind sie jetzt alle. „Meine Name ist Hildigund Neubert, wir haben vier Kinder, alles Jungs, wir haben die Frauenquote nicht erfüllt.“ Hihi! „Mein Name ist Angelika Barbe. Ich bin Biologin, verheiratet, ich habe drei Töchter, ich habe die Männerquote nicht erfüllt.“ Hihi! Lustig geht das „Mittwochsmalerspiel“ der CDU weiter: „Mein Name ist Günter Nooke, ich wohne seit 1991 in Berlin, ich bin 1959 geboren, ich bin Lausitzer.“ Kein Hihi! Keine Scherzchen. „Mein Name ist Wolfgang Templin“, und er müsse sagen, er sei nicht bei der CDU, sondern immer noch bei den Grünen. Viel mehr sagt Wolfgang Templin an diesem Abend nicht. Er wird auch nichts gefragt.

Aber Herr Strunz will etwas sagen. Herr Strunz ist Vorsitzender des Bundes der Stalin-Verfolgten, und er ist überall dort, wo er denkt, daß es etwas zu sagen gibt. Also will er auch in Zehlendorf etwas sagen. „Ich wünsche mir von Ihnen ideologische Anstöße.“ Beifall im Bürgersaal! Herr Knoblauch will auch etwas sagen – zum Thema Blockflöten. Wenn der CDU vorgeworfen werde, sie habe Blockflöten in den eigenen Reihen, dann sei das eine „Entstellung der Geschichte“. Wer damals in die CDU der DDR eingetreten sei, der habe sich doch nur dem SED-Regime entziehen wollen. Wieder Beifall im Bürgersaal!

Der Abend endet in einem Balsam-Regen auf die Wunden der so gescholtenen CDU-Bürgerrechtler. „Das war ja spannender als ein Krimi“, verabschiedet sich die Frau vom Ortsverband – und geht dahin, wo die Welt kein Krimi ist. Jens Rübsam