Mit falschem Abizeugnis raus aus der Drogenszene

■ Selbsternannter Student wegen Urkundenfälschung und Bedrohung vor Gericht. 31jähriger Angeklagter absolviert zur Zeit Drogentherapie

Auf den ersten Blick erscheint die Anklage ein wenig mickrig fürs Landgericht: Wegen der Fälschung eines Abiturzeugnisses, versuchter Nötigung und Androhung eines Verbrechens muß sich der 31jährige Jochen K. vor einer großen Strafkammer verantworten. Für den gebürtigen Münchner war der gestrige Prozeßauftakt nicht der erste Kontakt mit dem Kadi. 1994 wurde er bereits zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Drogendelikten verurteilt.

Mit der beglaubigten Kopie der Zeugnisfälschung immatrikulierte sich der Realschulabsolvent 1993 an der FU. Die beiden anderen Anklagepunkte stehen in Zusammenhang mit K.s Prozeß wegen Betäubungsmittelvergehen: Aus der Untersuchungshaft hatte er 1994 zwei Briefe an seine ehemalige Lebensgefährtin H. geschickt, die damals im Prozeß gegen ihn aussagen sollte. Der eine Kassiber sollte Wohlverhalten der Zeugin erwirken. Der andere, ein Gedicht, ist eine Art verklausulierte Racheerklärung – nach Ansicht des Staatsanwalts mit Tötungsandrohung.

Der Urkundenfälschung bekannte sich Jochen K. uneingeschränkt für schuldig. Die fraglichen Briefe habe er ebenfalls geschrieben. Mit Mord habe er jedoch nicht drohen wollen.

Nun muß sich das Gericht vor allem mit zwei Aspekten befassen: zum einen der psychischen Verfassung von Jochen K., als er die Briefe in der U-Haft schrieb. Zum anderen mit seiner persönlichen Entwicklung: Zur Zeit absolviert der Angeklagte erfolgreich eine Drogentherapie.

Die Strategie der Verteidigung zielt darauf ab, einen biographischen Wandel zu dokumentieren: In dem Studium an der FU habe er eine Perspektive gesehen, sich aus der Drogenszene zu lösen, sagte der Angeklagte. Die Drohbriefe aus der Untersuchungshaft wären der Enttäuschung darüber entsprungen, daß seine ehemalige Lebensgefährtin, die auch Mutter seiner Tochter ist, sich gegen ihn gewandt hatte. Mittlerweile habe er wieder ein halbwegs normales Verhältnis zu ihr. Seine Tochter könne er alle drei Wochen sehen. Des weiteren verwies die Verteidigung auf K.s erfolgreiche Drogentherapie und seine Absicht, einen Beruf zu erlernen. Seine ehemalige Lebensgefährtin sowie ein Therapeut bezeugten K.s Angaben weitgehend. Die Entstehung des zweiten Kassibers, in Form einer Traueranzeige abgefaßt, führte K. auf seine damalige psychische Situation zurück: Er sei in der U-Haft ausgerastet, habe Suizidversuche unternommen. Die Verteidigung will am kommenden Prozeßtag die verminderte Schuldfähigkeit Jochen K.s durch einen Experten feststellen lassen. Klemens Vogel