Das lange Warten auf die Olive

Nach Jahren der Dürre hatten die spanischen Olivenbauern mit einer Jahrhunderternte gerechnet. Doch Regen hat sie zerstört  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Das rhythmische Schlagen klingt wieder durch die spanischen Olivenhaine. Mit langen Stangen dreschen Männer auf die prall gefüllten Äste der Bäume ein. Am Boden lesen Frauen und Kinder die niederprasselnden schwarzen Oliven auf. Um diese Jahreszeit, Ende Januar, müßten sie mit der Ernte längst fertig sein. Doch im spanischen Olivengürtel – von der portugiesischen Grenze, Andalusien im Südwesten bis zur Provinz Jaén in Zentralspanien – hat es von Mitte Dezember bis vergangene Woche geregnet. Jeden Tag und jede Nacht sind die Wassermassen auf die Bäume geprasselt, haben die Erde zu Schlamm verwandelt, Berghänge abgetragen, Straßen und Wege zerstört.

Aus der Provinz Jaén kommt die Hälfte aller spanischen Oliven. Anfang Dezember waren über 20.000 Pflücker dorthin gereist, um bei der erhofften Jahrhunderternte dabeizusein. Rund 3.000 Tagelöhner waren sogar aus Marokko gekommen. Kaum hatten sie jedoch richtig mit der Ernte begonnen, mußten sie wieder zusammenpacken. Regen, Schnee und Frost zwangen sie zu wochenlanger Untätigkeit. Seit einigen Tagen haben es die Erntearbeiter nun um so eiliger. Selbst die Wochenenden arbeiten sie durch, um zu retten, was noch zu retten ist.

„Aus der Traum von der Rekordernte“, sagt Javier Lara vom Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverband CCAE enttäuscht. Nach fünf Jahren Trockenheit mit einer Jahresproduktion Olivenöl von knapp über 300.000 Tonnen erwarteten die spanischen Produzenten dieses Jahr – nach ausgiebigem Regen im Frühjahr 1996 – weit über 700.000 Tonnen. Letztendlich werden es 650.000 Tonnen sein. „Alles andere als eine schlechte Ernte“, sagt Lara, „aber mehr als 15 Prozent unter dem, was ohne Unwetter möglich gewesen wäre.“

Ein Viertel bis die Hälfte der runden schwarzen Früchte hat der Regen, je nach Region, von den Ästen gelöst. Zwar werden sie jetzt mühsam aus dem Schlamm gelesen, doch ein Teil ist endgültig verloren. „Und was übrigbleibt, erzielt nicht die erwartete Qualität“, sagt Lara. Bei den Oliven hat am Boden bereits der Oxidationsprozeß eingesetzt. Die so gewonnenen Oliven sind daher für die Herstellung von hochwertigem Öl – dem Extra Virgen – mit einem Säuregrad von unter einem Prozent oder gar nur 0,4 Prozent untauglich. Was nicht direkt vom Baum geschüttelt wird, ergibt nur noch billiges Öl zum Kochen, anstatt des teureren Salatöls.

Verloren haben durch das Unwetter alle. Die Erntearbeiter verbrachten Weihnachten mit leeren Taschen, ungeduldig auf die Ernte wartend. Am schlimmsten traf es die über 3.000 Marokkaner. Viele von ihnen hatten nicht einmal das Geld, um die Schlechtwetterperiode zu überbrücken und reisten wieder ab. „Da haben sich menschliche Dramen abgespielt“, hat Lara beobachtet. Manchen fehlte sogar das Geld für die Überfahrt. Das spanische Rote Kreuz, die Caritas und Dorfgemeinschaften mußten einspringen und helfen.

Die Olivenbauern erwarten neben den Ernteverlusten hohe Mehrausgaben. Bis zu zehn Pfennig pro Liter steigt der Preis, weil die Oliven aus dem Lehm gegraben werden müssen. Hinzu kommen die Überstunden- und Wochenendzuschläge, um die verbleibende Ernte rechtzeitig einzubringen. „In der ersten Februarwoche soll es soweit sein“, sagt Lara und blickt besorgt zum wolkenverhangenen Himmel.

Die einzigen, die nicht drauflegen wollen, sind die Abfüller. Der Markt ist zu 80 Prozent in den Händen der multinationalen Konzerne Ferruzzi, Carbonell-Koipe und Flin. Und sie haben einen Preiskrieg mit den Genossenschaften entfacht. Falls die Bauern den Liter Extra Virgen nicht deutlich unter sechs Mark verkaufen, wollen sie den Preis mit Importen aus Tunesien, Marokko und der Türkei drücken. 300.000 Tonnen sollen es sein. Für Javier Lara von der Oliven-Kooperative ist das nichts weiter als ein Scheingefecht. „Wenn das so einfach wäre, hätten sie in den letzten Jahren importiert, als das wenige Öl, das wir produzierten, auf bis zu acht Mark Herstellerpreis kletterte.“

Die Hälfte der EU-Produktion kommt aus Spanien – dem weltweit größten Olivenölhersteller. Importmengen wie sie die Abfüller androhen, gibt es laut Lara auf dem Markt überhaupt nicht. „Der Preis ab Hersteller wird sich bei fünf Mark einpendeln“, sagt Lara. „Teurer als ohne Unwetter, aber deutlich unter dem Preis des Vorjahres.“ Mit diesem Preis hoffen die Genossenschaften zumindest in Spanien, die an billiges Sonnenblumenöl verlorenen Kunden – fünfzehn Prozent des Gesamtverbrauches – zurückgewinnen zu können.