Des Kanzlers Testwahl

In gut vier Wochen finden in Hessen Kommunalwahlen statt. SPD und CDU zittern  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt am Main (taz) – Der Kanzler schwor am vergangenen Wochenende in Dieburg seine Gemeinde höchstpersönlich ein: Die hessische Kommunalwahl am 2. März 1997, sagte Kohl beim CDU- Landesparteitag, sei die „Vorwegnahme der Bundestagswahl 1998“. Da wird sich der Regierungschef im kommenden Jahr warm anziehen müssen. Denn eine von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Auftrag gegebene Umfrage des Ipos-Instituts für Frankfurt am Main ergab, daß nur 37 Prozent die Union wählen würden.

Der FDP droht indes ein Debakel. Nur drei Prozent würden für sie und ihren Spitzenkandidaten Ignatz Bubis votieren. Sollten die Auguren also richtig liegen, würden die Liberalen nicht wieder in den Römer ziehen. Gefährdet wäre nach diesen Prognosen auch der Traum von CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth von einer Mehrheit im Stadtparlament für ein christlich-liberales Bündnis. Denn bislang regiert sie gegen eine Mehrheit von roten und grünen Mandatsträgern.

Gewinner der Umfragen sind die Grünen. Für sie werden 24 Prozent vorhergesagt. Das sind nur fünf Prozent weniger als für die SPD. Beide Werte addiert, würde das zwar für einen neuerlichen Versuch reichen, eine rot-grüne Stadtregierung zu etablieren. Aber nach den Eskapaden der SPD bei der (gescheiterten) Wiederwahl bündnisgrüner Dezernenten erscheint dies auch bei entsprechendem Wahlausgang fraglich.

Denn die Partner von gestern sind heute Konkurrenten im Kampf um die Stimmen der Wähler. Vor allem von den Grünen, die sich als Opfer der „Chaospolitik“ der SPD gerieren und der Partei vorwerfen, die Macht ohne Not an die CDU-Politikerin Petra Roth abgegeben zu haben, wird hart vom Leder gezogen. So charakterisierte die grüne Spitzenkandidatin, Schuldezernentin Jutta Ebeling, die SPD als inhaltlich „konfus“ und personell zerstritten.

29 Prozent für die SPD: Das würde einen Tiefpunkt für die Sozialdemokratie in ihrer einstigen Hochburg bedeuten. Doch wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten. Daran glaubt fest die Kreisvorsitzende und Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten, Rita Streb-Hesse. Schließlich hätten die Bürger in der Ipos-Umfrage Arbeitslosigkeit als das größte Problem benannt. Und das, so Streb-Hesse forsch, korrespondiere doch trefflich mit dem Wahlkampfschwerpunkt der SPD. Ihre Prognose: „Wir werden über dreißig Prozent kommen.“ Hessenweit indes werden CDU und SPD leichte Stimmengewinne prognostiziert, den Grünen sogar starke Zuwächse. In der Union geht allerdings die Angst um, daß die Debatten um die Steuerreform und die Renten ihr die erwartete Ernte verhageln könnte. Denn gerade bei der „Stammwählerschaft der Union“, so Hessens CDU-Landeschef Manfred Kanther, habe diese Debatte „Irritationen und Flatterigkeit“ ausgelöst. Die Politik der Bundesregierung müsse gerade bei älteren Menschen „offensiv vertreten“ werden: „Hinstehen statt wegducken.“

Der Anspruch der CDU ist hoch. Sie will fortsetzen, was ihr bei den Kommunalwahlen vor vier Jahren gelungen war: die Eroberung roter Rathäuser durch „schwarze“ Frauen. Das hat auch Kohl gefallen, der die CDU-Oberbürgermeisterinnen in Frankfurt, Rüsselsheim und Hanau als „Paradebeispiele“ für die gute Frauenpolitik der Union hervorhob.

Die Grünen stehen nicht derart unter Erfolgszwang. Gelassen können sie sich geben. Knapp 20 Jahre nachdem sie erstmals in hessische Rathäuser einzog, sorgt sich die Partei vorwiegend um – Personalprobleme. So gelang es nicht, am AKW-Standort Biblis eine Kommunalwahlliste aufzustellen. Auch anderswo zwischen Kassel und Darmstadt sind manchmal nur noch drei, vier Menschen bereit, für die Grünen zu Kommunalparlamenten zu kandidieren. So wird anderen Parteien ein zusätzliches Stück vom grünen Kuchen abfallen – zumindest was die Mandatsverteilung anbelangt.

Problematisiert hat das an der Spitze der Partei bislang niemand. Und deshalb fand offiziell auch noch keine Ursachenforschung statt. Die Partei müsse attraktiver werden, heißt es allgemein. Lapidar wird noch aus der Landeshauptstadt Wiesbaden ergänzt: vor allem für junge Menschen. Immerhin: einige Plakate der Bündnisgrünen sind schon modisch auf „Techno“ getrimmt. „Mach 'n Kreuz!“ heißt es da kurz und knapp. Kein Meinungsforschungsinstitut mußte bislang klären, ob sich bei dieser Reklame nicht einige gestandene Umweltschützer, die ihre Sonnenblumen bitter vermissen, bekreuzigen werden.