Das Faß St. Pauli kurz vorm Überlaufen

■ Die Bürgermeister Voscherau und Rittershaus wollen um Bavaria wahlkämpfen

Einen Lohnverzicht von 8 Prozent und weitere Zugeständnisse hat der Betriebsrat der Bavaria-Brauerei in St. Pauli nach Informationen der taz der angeschlagenen Konzernmutter Brau und Brunnen angeboten, um so den Schließungsbeschluß auf der Aufsichtsratssitzung am 13. Februar abzuwenden. Auch Bürgermeister und Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos), der nach eigenem Bekunden „seit Wochen mit massivstem Einsatz“ mit Brau und Brunnen-Chef Friedrich Ebeling verhandelt, will die Hoffnung noch nicht aufgeben: „Unser erstes Ziel ist es, die Entscheidung von der Aufsichtsratssitzung am 13. Februar wegzubekommen. Wir brauchen Luft, um zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen.“

Tatsächlich ist das Konzept des mit 800 Millionen Mark katastrophal überschuldeten Getränkegroßkonzerns, durch den Verkauf seiner beiden modernsten Brauereien in Hamburg und Leipzig Geld in die Kasse zu bekommen, auch betriebswirtschaftlich fragwürdig: Denn gerade die frisch und vorbildlich modernisierten Brauereien auf St. Pauli und in Sachsen verdienen Geld mit ihren Regionalmarken. Doch den Ausschlag für den Kahlschlag in Hamburg und Leipzig geben andere Gründe: Brau und Brunnen will seine Heimatstandorte Dortmund und Berlin schonen und hofft auf lukrative Angebote für die Bavaria-Immobilie.

Überaus interessiert zeigt sich bereits der Hamburger Holsten-Konzern: Er will allerdings nicht für die Immobilie und das Brauhaus bieten. Am Einkauf der Marken Astra und vor allem Jever besteht jedoch ernsthaftes Interesse. Dieser Deal soll den Dortmunder Konzernherren und der Hamburger Öffentlichkeit durch eine großzügige Geste schmackhaft gemacht werden: Holsten würde, wie gestern aus der Vorstandsetage verlautete, auch „einen Teil“ der 500 Bavaria-BrauerInnen übernehmen. An der Stillegung des traditionsreichen Brauhauses an der Hopfenstraße würde dies jedoch nichts ändern.

Genau darauf freilich hofft Senatschef Henning Voscherau (SPD). Er befürchtet nicht zu Unrecht weiteres Ungemach im Wahljahr: Nach der bereits begonnenen Liquidierung des Hafenkrankenhauses gegenüber der Brauerei könnte die Schließung von Bavaria das Faß St. Pauli zum Überlaufen bringen. Am Montag will der Bürgermeister deshalb, so ließ er verkünden, vor Ort retten, was noch zu retten sein könnte: Auf der Jahreshauptversammlung der „Interessengemeinschaft St. Pauli“ im „Hotel Hafen Hamburg“ wird er am Nachmittag über die Wirtschaftslage der Stadt referieren.

Florian Marten