■ Zur Einkehr
: Kleiner Ratskeller

Zur gutbürgerlichen Küche war nicht mehr viel zu sagen. Denn wir hatten sie satt. Nach all den Jahren schmeckten die fleischlastigen, kartoffelschweren und saucegetränkten Mästportionen einfach nicht mehr. Wir mieden die gutbürgerlichen Restaurants und schwenkten um auf die Saltimbocca alla romana, den Coque au Vin und mit der Zeit raffinierter werdende Speisen einer vorsätzlichen kulinarischen Internationalität. Warum wir unter diesen Vorzeichen überhaupt und inzwischen gerne in den kleinen Ratskeller gehen, bedarf dann doch einer Erklärung.

Mit dem großen am Marktplatz hat der kleine Ratskeller nur den Namen gemeinsam. Und nicht mal der trifft richtig zu. Denn das in der Tat kleine Restaurant residiert ebenerdig hinter einer wiederaufgebauten mittelalterlichen Fassade unweit der Böttcherstraße. Eingangs gibt eine weibliche Handschrift auf einer Schiefertafel das Tagesangebot bekannt. Es klingt allzu vertraut, variiert von den Käsespätzle über den Matjesteller bis hin zum Wildgulasch und staffelt sich in Preise von unter zehn bis unter zwanzig Mark.

Im Gastraum konkurriert Zweckmäßigkeit mit der „individuellen Note“: Das Dutzend Tische ist pflegeleicht nicht mit Tuch bedeckt, an den Wänden aber ungezählte Portraitfotos in Petersburger, also lückenloser Hängung. Doch nicht nur der Fotos wegen überwiegt das Urig-wirtsstubenhafte. Denn weil die Zahl der Tische begrenzt, mittags und abends aber der Andrang groß ist, hat man entgegen der bremischen Sitte im kleinen Ratskeller fast immer neben wildfremden Menschen Platz zu nehmen.

Im Gegensatz zum Weinkeller unterm Rathaus trinkt man im kleinen Ratskeller Bier – und zwar das hefetrübe Kräusen-Pils, das nicht in jedem Restaurant zu haben ist. Neben dieser flüssigen Bremer Spezialität wartet auch die Speisekarte mit Traditionellem wie Labskaus oder Roter Grütze auf. Regional etwas weiter gefaßt ist dagegen das Tagesangebot auf der Schiefertafel, die von den freundlichen Kellnerinnen mittags sowieso und abends auf Wunsch präsentiert wird.

Egal, wofür man sich entscheidet: Preis und Leistung stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Und dazu paßt es auch, daß hier ausgerechnet die profanen Bratkartoffeln zum Geheimtip zählen. Die werden nämlich nicht bloß gebraten, sondern kurz vor dem Servieren mit Butterstückchen überzogen. Dank dieser Vorzüge trägt ein Restaurant wie der kleine Ratskeller dazu bei, daß die gutbürgerliche Küche wieder schmeckt. Christoph Köster

Kleiner Ratskeller, Hinter dem Schütting 11