In Pinkelpausen Fenstergitter zersägt

■ Verbrecher-Gang um mutmaßlichen Stradivari-Räuber türmte aus Oslebs / Sicherheitsmängel

Vier Gewaltverbrecher sind am Donnerstag abend krimireif aus dem Gefängnis Oslebshausen ausgebrochen. Die Flucht wurde offenbar durch Versäumnisse der Justizbeamten und eine spät eingeleitete Fahndung begünstigt. Unter den Flüchtigen ist auch der 32jährige Rumäne Marin B., der im Herbst die Bremer Geigen-Professorin Maria Grevesmühl eine Treppe heruntergestoßen haben soll, um ihre Stradivari-Geige zu rauben.

Er und seine Mithäftlinge im Alter von 26 und 31 Jahren hatten sich nach Angaben der Justizbehörde unbemerkt aus einer Gesprächsgruppe mit einem Sozialarbeiter entfernt. Dann sägten sie mit einer Pucksäge die Gitterstäbe eines Toilettenfensters im Schulungs-Haus durch, rannten unbemerkt von den zwei auf dem Gelände patroullierenden Beamten 200 Meter bis zum Werkhofsgebäude.

Mit Hilfe eines Bettlakens und eines Besenstiels kletterten sie aufs Dach des Werkstattgebäudes, balancierten von dort über eine 5,50 Meter hohe stacheldrahtbewehrte Verbindungsmauer zur Außenmauer und sprangen von dort herunter. Von den Männern fehlte bis gestern abend jede Spur. Hinweise auf Hilfe von außen hat die Justiz nicht.

Neben dem Rumänen, der eine alte Restsstrafe wegen Raub absitzt, handelt es sich bei den Flüchtigen um drei Männer türkischer Abstammung. Einer war wegen Vergewaltigung zu vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, Die beiden anderen verbüßten Haftstrafen wegen räuberischer Erpressung und Menschenhandel.

Justizstaatsrat Michael Göbel räumte schwere Sicherheitsmängel in der Justizvollzugsanstalt ein: So sei offenbar die Teilnahme an der regelmäßigen Gesprächsrunde nicht überprüft worden, so daß 30 statt der erlaubten 20 Männer zusammengekommen waren. „Es ist auch unklar, wie der Rumäne zu einem Gesprächskreis in türkischer Sprache kommen konnte“, fragte sich Göbel.

Pinkelpausen nach Beginn der Gesprächsrunde um 18.30 Uhr nutzte das Quartett offenbar dafür, sich reihum mit einer eingeschmuggelten Säge am Gitter zu schaffen zu machen. Ihre Flucht wurde kurz vor 21 Uhr entdeckt.

Weiterhin ist unklar, wie die Männer aus dem Gesprächsraum im ersten Stock in die Toilette im Erdgeschoß kamen. „Da muß eine Tür nicht abgeschlossen gewesen sein“, sagte Göbel. Spekulationen, wonach die Männer schon während früherer Treffen an dem Fenstergitter gesägt und einen Nachschlüssel benutzt hätten, wurden offiziell nicht bestätigt.

Er habe den Eindruck, daß die Routine zu Nachlässigkeiten bei der Beachtung der Sicherheitsvorschriften geführt habe, so der Staatsrat. Als Sofortmaßnahme würden nun ähnliche Gruppenfreizeiten erstmal eingestellt. Gruppen von Häftlingen dürften sich nur noch unter Aufsicht eines Justizbeamten im besser gesicherten Besucherpavillon treffen.

„Wir haben seit 20 Jahren solche Gruppen und das ist der erst negative Vorfall“, beteuerte Anstaltsleiter Hans-Henning Hopp. Hartmut Krieg, Abteilungsleiter Strafvollzug in der Justizbehörde, verwies auf den „Ehrenkodex“, der bisher unter den Teilnehmern dieser Gruppen geherrscht habe.

Ungeklärt ist auch noch, warum erst verspätet die Fahndung nach den als gewaltbereit geltenden Häftlingen eingeleitet worden war. Offenbar hätten die Justizbeamten erstmal selber nachschauen wollen, ehe die Polizei verständigt wurde, sagte Göbel. jof