Die Anleitung zum totalen Widerstand

■ „Leichte Rauchentwicklung bei Inbetriebnahme“: Eine Ausstellung über Gebrauchsanweisungen zeigt die Wirren der Zeit und die Verwirrung der Kunden

Die Geschichte der Gebrauchsanleitung ist eine Geschichte von Mißverständnissen. Ob Videorecorder oder Überraschungsei, man kann gar nicht so viel fluchen, wie man etwas falsch machen kann. Das war vielleicht schon immer so. Nur sind die Flüche nicht überliefert, manche Anleitungen allerdings. Zu sehen sind einige seit gestern im Museum Post und Kommunikation an der Ecke Leipziger und Mauerstraße. „Erst lesen, dann einschalten“ heißt die sehenswerte Ausstellung, die bis zum 25. Mai läuft.

Allein in Deutschland leben einige tausend technische Redakteure davon, Bedienungsanleitungen zu schreiben. Ihr Verband wird seine Frühjahrstagung extra wegen der Ausstellung in Berlin abhalten. Clemens Schwender, seit zehn Jahren an der Technischen Universität (TU) mit Erklärschriften befaßt, sieht in der auf seinen Forschungen beruhenden Expositionen jedoch mehr als einen nostalgischen Blick auf die Historie der Technikdokumentation. Hier geht es um Zeugnisse der Begegnungen einer seltsamen Art – zwischen Mensch und Maschine.

Während heute das Produkt oft weniger tückisch ist als seine Anleitung (vor allem wenn Übersetzungskauderwelsch die Entschlüsselung erschwert), lag die Gefahr früher häufig beim Gerät. Ein Hinweis zum Bügeleisen Perfekta lautet: „Beim ersten Gebrauch macht sich eine leichte Rauchentwicklung bemerkbar, welche auf die Qualität des Gerätes keinen Einfluß hat. Der Rauch verliert sich nach wenigen Minuten.“ Der Slogan „Die Hausfrau atmet erleichtert auf“ hätte insofern besonders zum Bügeleisen gepaßt, meinte in den Fünfzigern aber alles, was dem westdeutschen Haushalt technischen Fortschritt verhieß.

Wobei die Gebrauchsanleitung nicht nur der Beipackzettel fürs häusliche Wirtschaftswunder war, sondern auch ein kleines Merkheft zum Thema: Welche Rolle spielt die Frau? Bei Bosch (stellvertretend für die Branche) die des freudigen Putzliesels, das aber einschleimend als „verehrte, gnädige Frau“ angesprochen wird. Die Familienrollen werden als Dialog wiedergegeben. In dieser Art Anleitungs-Sitcom gibt die Dame die ahnungslose Herrscherin der Küchentöpfe und der Gatte den Fachmann für die wichtigen technischen Fragen.

Schon immer spiegelte die Anleitungswelt gesellschaftliche Zustände. Das zeigt sich sehr deutlich am Telefon. Die 1903 eingeführte Buchstabiertafel mit Namenszuordnungen von A wie Albert bis Z wie Zacharias wurde nicht wegen technischer, sondern politischer Veränderungen korrigiert. Nach der Arisierung durch die Nazis war auch Zacharias Zeppelin und aus Nathan Nordpol geworden.

Auch beim Vergleich der Telefonbücher DDR und BRD wurden systembedingte Unterschiede deutlich. Wurde der Kunde im Westen gemahnt, nach dem Gespräch den Hörer richtig aufzulegen, um die Gebührenzählung zu beenden, stand im Osten der drohende Nachteil für den Mitbürger im Vordergrund.

Es galt die Parole „Im Interesse der gegenseitigen Rücksichtnahme und bessere Erreichbarkeit: Fasse dich kurz“. Damals gab es viele Duplex-Anschlüsse, die zwei Apparate mit einem Anschluß versahen. Auf beiden konnte nicht gleichzeitig telefoniert werden. Der Mangel diktierte die Benutzungsgebote, um so reichlicher waren die Wortmonster, die Schwender gehäuft in DDR-Anleitungen entdeckte. Zum Beispiel Fernsprechverkehrsausscheidungsziffer, gemeint war die Null fürs Amt.

Nicht die Spur so kompliziert war es ganz früher, als beispielsweise die Ägypter auf Papyrus den Gebrauch eines Amuletts beschrieben. Eindeutig ist auch die vermutlich erste deutsche Schriftanleitung, ein „Feuerwerkbuch“ von 1420. Das empfielt Büchsenmeisters den Umgang mit Explosivpulvern, ohne die Warnung vor dem Saufen während der Arbeit zu vergessen. Brisant ist auch jene Anleitungsliteratur, die ein gewisser Johann Most 1882 veröffentlichte. Im Büchlein „Revolutionäre Kriegswissenschaft“ – das 1975 als Faksimilenachdruck in der linken Szene wiederauftauchte – gab er Anleitungen zum Herstellen von Nitroglyzerin, Dynamit usw. Wegen „der Bedeutung, welche die modernen Sprengstoffe für die soziale Revolution in Gegenwart und Zukunft haben“.

Und ein mit „Totaler Widerstand“ betiteltes Flugblatt von 1981, der Leihgeber ist anonym, empfiehlt zur Umstrukturierung der Besitzverhältnisse: „Klaut, vergesellschaftet alles!“ Eine Extra- anleitung zum Klauen gibt's zwar nicht, aber genaue Tips fürs Schwarzfahren. Gunnar Leue