Berlin braucht eine Lobby für Frauen

■ Beirat für frauenspezifische Planung beim Bausenator findet kaum Gehör

Die Architektin Christiane Hannemann, Vorsitzende des Beirats für frauenspezifische Planung beim Bausenator und Mitarbeiterin der Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung S.T.E.R.N., im taz-Interview.

taz: Wie unterscheidet sich das Leitbild „frauenspezifischer Stadtplanung“ von der dichten Stadt, wie sie etwa der Masterplan für Berlin anstrebt?

Christiane Hannemann: Gerade für Frauen mit ihrer besonderen Lebenssituation, der Mehrfachbelastung aus Haushalt, Familie und Beruf sind kurze Wege besonders wichtig. Dichte, Mischung, Urbanität will jeder. Beim Masterplan aber bleibt alles ein bildhaftes, rein theoretisches Gemisch. Wie Stadt funktioniert, wird nicht gefragt. Wenn man funktionale und soziale Mischung will, reichen keine Bilder. Man muß die schwächeren Nutzungen und Bewohner in der Stadt halten.

Sie sind Vorsitzende des Beirats für frauenspezifische Planung bei der Senatsbauverwaltung. Wie sieht die Arbeit dieses Gremiums aus?

Der Beirat wurde 1990 unter dem rot-grünen Senat gegründet. Er besteht aus 12 Frauen unterschiedlicher Disziplinen, Architektinnen, Sozial-, Verkehrs-, Landschaftsplanerinnen. Laut Satzung sollen wir bei allen relevanten Planungen beratend tätig werden. Genau das findet nicht statt. Die Beratung wird nicht abgefragt. Berlin ist mit seiner ganzen Hauptstadtwerdung so besetzt, daß frauenspezifische Fragen überhaupt nicht mehr zum Tragen kommen.

An welcher (Bau-)Stelle läßt sich Ihr Einfluß konkret ablesen?

In der Anfangsphase haben wir bei der Überarbeitung der Wohnungsbaurichtlinien mitgewirkt. Unser Ziel war zum Beispiel eine Gleichberechtigung aller Wohnräume oder ebenerdige Abstellräume für Kinderwagen. Durchsetzen konnten wir nur den Notrufknopf in der Tiefgarage.

Beim Stadtentwicklungsprojekt Biesdorf haben wir eine Frauenwettbewerb vorbereitet und Planungsvorgaben verändert. Da war zwischen stark befahrenen Straßen Wohnungsbau geplant. Wir haben erreicht, daß statt allgemeinem Wohngebiet ein Mischgebiet ausgewiesen wurde und somit Alternativen zu einer lärmreduzierten Wohnbebauung ermöglicht. Der Wettbewerb ist dann jedoch abgesagt worden.

Bei Projekt Schlachthof Eldenaer Straße sind wir auf gravierende Fehler des Bebauungsplanentwurfs gekommen. Um in die Wohnhäuser zu kommen, muß man an einem Gewerbegebiet oder dem Park vorbei. Angsträume werden geradezu geplant. So etwas ist zu vermeiden. Ob unser Rat angenommen wird, ist die Frage.

Was müßte geschehen, damit der Beirat in der Stadtplanung mehr erreichen könnte?

Wir müssen aus der nur beratenden Rolle heraus. Eines der Ziele ist es, eine Lobby für Frauen aufzubauen. Da befinden wir uns noch am Anfang. Ein Weg wäre über die Gleichstellungsbeauftragten. Derzeit sind sie allerdings überlastet. Würde man den Gleichstellungsbeauftragten den Beirat zur Seite stellen, müßten sich ihre vorhandenen Mitbestimmungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei Personalentscheidungen, auch im Bau- und Planungsbereich niederschlagen. Interview:

Hans Wolfgang Hoffmann