Intendanten ohne Angst vor Konkurrenz

■ Das schweizerische Flughafen-Musical stelle keine Konkurrenz dar, meinen Theatermacher. Andere Zielgruppen und abnehmendes Interesse am Musical-Genre

Konkurrenz belebt das Geschäft. So gelassen sehen jedenfalls die Berliner Theater- und Musical- Intendanten der Mega-Produktion „Space Dream“ entgegen, die ab Februar täglich im aufgemotzten Flughafen-Hangar Tempelhof gegeben werden soll. Ihre Hoffnung ist nicht unbegründet: Damit das Geschäft auch über Jahre noch brummt, spekuliert die „Space Dream“-Produzentin in erster Linie auf finanzkräftige Touristen.

Fest installierte Musical-Produkte sind in Westdeutschland bereits seit den achtziger Jahren der Renner, wie die Projekte „Miß Saigon“ in Stuttgart oder „Cats“ in Hamburg belegen. Schließlich baute man obendrein noch drei große Häuser in Bochum, Düsseldorf und Essen für den „Starlight Express“, „Grease“ und „Les Miserables“. Nach anfänglichen Erfolgen verzeichnet man im Ruhrgebiet mittlerweile allerdings rückläufige Zuschauerzahlen.

Alle „unterhaltenden Spieltheater“ in Berlin, wie die Musical- und Operettenhäuser vom Kultursenat bezeichnet werden, verfügen immerhin über eine Platzkapazität von über 1.000 bis 1.200 Sitzplätzen. Der Auslastungsgrad öffentlich geförderter Häuser wie das Theater des Westens liegt in der Regel bei etwa 60 Prozent. Obendrein bastelt Wolfgang Bocksch mit „Fame“ an einer neuen Inszenierung, die ab 1. März im Schiller Theater Premiere feiern soll. Braucht Berlin da etwa noch einen zusätzlichen Musical-Spielplatz?

„Was Berlin braucht, sind vor allem Touristen!“ Das beteuert zumindest Roland Berger, der als Intendant und Produzent der Inszenierung „Shakespeare & Rock'n'Roll“ Pionierarbeit zu dem ersten privat finanzierten und festinstallierten Musical-Konzept in Berlin geleistet hat. „Berlin muß eine Erlebnismetropole werden“, so lautet Bergers Devise. Wenn die Schweizer Produktion in Tempelhof als Touristenattraktion zieht, dann solle ihm das recht sein. Seit 1993 läuft sein Berliner Rock-Musical Tag für Tag, der interessierte Theatergänger hat das Stück also längst gesehen. Und die Zeiten, in denen „Shakespeare & Rock'n'Roll“ große Gewinne einspielt, sind seit zwei Jahren vorbei.

Aber mehr noch, als eine mögliche Konkurrenz durch die Schweizer Produktion „Space Dream“, bereitet Berger das „Preisdumping“ der öffentlich finanzierten Häuser einiges Kopfzerbrechen. „Die können es sich leisten, ihre Karten für 20 bis 70 Mark anzubieten. Wenn man wirtschaftlich arbeiten will, müßten die Karten 150 Mark kosten!“ Bergers Prognose für das neue Technik-Spektakel aus der Schweiz: „Private Unternehmen in der Branche haben es schwer. Es wird nicht einfach für ,Space Dream‘.“

Obwohl es bundesweit immer mehr Musical-Anbieter gibt, sieht Friedemann Steiner, stellvertretender Intendant des Metropol- Theaters das Publikumsinteresse an dem Genre eher schwinden. Die Ursache dafür läge jedoch eindeutig im Fehlen neuer Stücke. „Der Webber hat schließlich seit zwölf Jahren nichts mehr geschrieben!“ Ausbleibende Zuschauerzahlen aufgrund der Tempelhofer Inszenierung seien eindeutig nicht zu befürchten, glaubt Steiner, schließlich spreche das Repertoire des Metropol ein anderes Publikum an. „Was die machen, hat mit Kultur nichts zu tun!“

Eine opulente Technik und aggressive Vermarktung mit gigantischem Werbeaufwand steht in der Tat vor der künstlerischen Leistung. „Bei uns ist die künstlerische Umsetzung immer noch wichtiger als der wirtschaftliche Aspekt.“ Seines Erachtens ist der Feind weniger in der Konkurrenz als in der Politik zu suchen. „Die kulturpolitische Ausgabe des Senats besteht vor allem darin, eine kulturelle Vielfalt zu ermöglichen und Sicherheit für kulturelle Einrichtungen zu schaffen.“

Längerfristig sieht der Senat jedoch eine Kürzung der Zuwendungen für öffentliche unterhaltende Musiktheater um über 20 Prozent vor. Die Subventionen für das Metropol sollen bis zum Jahr 1999 auf 25 Millionen jährlich schrumpfen, die für das Theater des Westens auf 15 Millionen und die Zuwendungen für die Friedrichstadt-Revue sogar auf zehn Millionen.

Auf der Gratwanderung zwischen dem reinen Unterhaltungstheater und der Rolle des Musicals als ernstzunehmendes Genre konnte das Theater des Westens sich bislang noch kommerzielle Flops leisten wie das Antikriegsmusical „Johnny Johnson“ 1995. Doch Konkurrenz fürchtet man prinzipiell nicht. „Die sollen erstmal kommen“, sagt sich Intendant Baumann vom Theater des Westens. „Erst dann wird man sehen, ob sich der Standort Tempelhof etablieren wird!“ Kirsten Niemann