■ Kampf dem Tiefkühlprodukt: Unterwegs auf der größten europäischen Pizza-Messe
: Hauchdünner Teig, klasse Käse, frische Tomaten

Manche stopfen sich die Nahrung ins Maul, weil der Magen knurrt, manche mampfen, weil sie gewohnheitsmäßig eben zu bestimmten Zeiten mampfen, andere hingegen verzichten gar auf eine ordentliche Speise, weil es der Diätplan vorsieht. Und dann gibt es noch die vielen Testesser, die den Lokalitäten Sterne, Kochmützen und andere Auszeichnungen verleihen oder nicht verleihen; dieser Job wird zu Unrecht als Traumjob bezeichnet: Das ewige Schlemmen ist ganz schön anstrengend, und macht den Testesser auf die Dauer fett.

Wenn aber ein abgemagerter Autor auf Futtertour gehen darf, dann ist das ein Feiertag in seinem Leben. Ich hatte neulich die Ehre, eine Pizza-Messe in Berlin zu besuchen. Ein Wagnis war das allerdings schon, dorthin zu gehen, ohne vorher gegessen zu haben. Die Zeitschrift Food-Service hatte erst jüngst berichtet, daß die Firma „Pizza Hut“ vergangenes Jahr in Deutschland einen Umsatz von 167,7 Millionen Mark mit 111 Betrieben einfuhr, damit hierzulande auf Platz eins der Pizzaproduzenten lag, „Joey's Pizza“ 31,6 Millionen Mäuse mit 56 Betrieben verdiente, dicht gefolgt von „Call a Pizza“, die 27,4 Mios einkassierte, und zwar mit 58 Läden. Das trockene Zeug von „Pizza Hut“ verträgt ja kein Dickdarm, und die beiden anderen Pizzabäcker produzieren auch nicht gerade schmackhaftes Zeug. Da zieht man jede Burgerkette vor. Was sich aber noch bedrohlicher anhörte, war die Erklärung der Veranstalter, daß die Tiefkühlpizza auf dem Vormarsch sei, daß 1995 sage und schreibe 45.000 Tonnen mehr Tiefkühlpizza verkauft worden seien als im Jahr zuvor. Ferner stand in der Broschüre geschrieben: „Kein Wunder also, daß rund um die TK- Pizza eine heiße Innovations- und Marketingschlacht entbrannt ist.“ Sollte ich Opfer einer „TK-Pizza“ werden?

Es kam alles ganz anders. „Pizza Hut“ war auf der „PizzaTec“, immerhin die größte Pizza-Messe in Europa, überhaupt nicht anwesend, auch die anderen Pizzavergewaltiger hielten sich vornehm zurück. Nur „Knorr“ benahm sich daneben, die Werbefritzen der Firma hatten sogar drei Gitarrenspieler von der Straße oder aus der U-Bahn geholt, um das Publikum mit gefälschter italienischer Pizza- musik zu unterhalten. Die drei Bänkelsänger hörten sich wie die Tanten der „Südfriesischen Sängerschwesternschaft“ an. Ansonsten war die „PizzaTec“, den Organisatoren der Messe sei Dank, in der Hand der echten italienischen Pizzamafia. Siebzehn verschiedene Pizze habe ich gekostet, eine besser als die andere, immer hauchdünner Teig, klasse Käse, frischeste Tomaten.

Am besten waren die Pizzen der „Pizzeria da Massimo“ aus Illasi in der Via S. Bartolomeo. Der Chef belegt seine Pizza erst, nachdem sie aus dem Ofen kommt, mit frischer Mozzarella und Basilikum. Köstlichst! Ich habe dem Meister erklärt, er solle Deutschland unbedingt unterwandern und an jeder Ecke eine Pizzeria aufmachen. Da hat er gesagt, seitdem in Europa die Grenzen geöffnet seien, würde die ganze Unterwanderung keinen Spaß mehr machen.

Immerhin vertraute der nette Herr mir das Geheimnis seines Teiges an, das ich durchaus bereit wäre zu verraten. Doch ich solle, meinte Signore Massimo, das Rezept nicht zu billig verkaufen. Was wird geboten? Carsten Otte