"Lamentieren hilft nicht"

■ Heiner Brand, der neue Coach der Handball-Nationalmannschaft, über seinen guten Ruf, den Neuanfang und sein Versicherungsbüro

Als Spieler war er Weltmeister, sechsmal deutscher Meister, dreimal DHB-Pokal- und viermal Europapokalsieger. Als Trainer ließ er mit Gummersbach und Wallau- Massenheim drei deutsche Meistertitel sowie einen DHB-Pokalsieg folgen. Jetzt soll Heiner Brand (44) die deutsche Handballnationalmannschaft der Männer auf Vordermann bringen. Bei den beiden Spielen gegen Island, heute in Ludwigshafen und morgen in Rüsselsheim, sitzt er erstmals als Alleinverantwortlicher auf der Bank.

taz: Sind Sie vor Ihrem ersten offiziellen Spiel als Nationaltrainer wenigstens ein bißchen nervös?

Brand: Nö, im Augenblick zumindest noch nicht. Ich habe im Moment andere Gedanken im Kopf. Ich muß sehen, daß ich die Mannschaft zusammenstelle, daß ich erkenne, was wir spielen wollen und noch trainieren müssen.

Mit Ruhm hat sich das Nationalteam zuletzt nicht bekleckert. Wie wollen Sie das ändern?

Ich habe meine Vorstellung, wie eine Mannschaft spielen, welche Einstellung sie auf dem Platz haben soll. Ich habe die Mannschaft nach diesen Kriterien ausgesucht und versucht, junge Spieler dazuzunehmen, die in Zukunft in die Mannschaft hineinwachsen können. Jetzt werden wir kontinuierlich arbeiten, um zu einem gewissen Leistungsniveau zu kommen.

Können Sie Ihre Vorstellungen noch ein bißchen konkretisieren?

Wir werden zum einen sicherlich Wert auf eine starke Abwehrarbeit legen. Deswegen habe ich auch Klaus-Dieter Petersen zu einer Rückkehr in die Nationalmannschaft überredet und auch Mike Bezdicek geholt. Im Angriff kommen neue Formationen zustande, die bisher noch nicht miteinander gespielt haben. Da ist vieles auch eine Frage des Einspielens und der Weiterentwicklung von bereits vorhandenen Dingen. Das braucht alles seine Zeit. Wichtig ist, daß wir Spieler haben, die die Nationalmannschaft als sehr wichtig betrachten, die sich damit identifizieren und mit Herz spielen.

Wieviel Zeit wird man Ihnen für all dies einräumen?

Ich habe klar geäußert, daß für mich in dieser Tätigkeit eine gewisse Langfristigkeit drinsteckt, daß ich im Jahr 1999/2000 wieder was zusammenhaben will. Ob man mir diese Zeit gibt, weiß ich nicht, aber ich werde sie mir nehmen.

Ihr neuer Job hat in den letzten zehn Jahren fünf Trainer verschlissen. Haben sie Angst um Ihren guten Ruf?

Wenn ich Angst hätte, dann hätte ich das nicht machen dürfen. Ich bin mir über die Risiken bewußt, aber ich denke, daß selbst im Falle eines Mißerfolgs, den ich mir aber nicht vorstellen will, mein Ruf nicht ramponiert würde.

Gibt es in Deutschland überhaupt das nötige Spielerpotential, um langfristig gesehen international wieder in höheren Regionen mitspielen zu können?

Die Vergangenheit hat gezeigt, daß wir gar nicht so weit weg sind von den anderen Nationen. Nur daß wir eben in entscheidenden Augenblicken versagt haben. Aber bekanntlich sind die Vereine mit sehr guten Nachwuchsspielern nicht sonderlich reich gesegnet, so daß sich da schon irgendwo Grenzen auftun. Aber ich denke, daß man auch mit dem vorhandenen Potential was bewirken kann. Selbst wenn es nicht so wäre, würde kein Lamentieren helfen.

Warum macht man es im Handball nicht einfach wie kürzlich im Fußball und deutscht ein paar der ausländischen Bundesligastars ein, so wie Sean Dundee vom Karlsruher SC?

Ich halte nichts davon, jemanden einzudeutschen, nur aufgrund der Tatsache, daß er ein guter Sportler ist. So weit ich weiß, besteht da mittlerweile auch eine klare Anordnung vom Bundesinnenministerium.

Wie könnte man denn sonst regulieren, daß die ausländischen Stars dem deutschen Nachwuchs nicht allzu sehr die Plätze in der Bundesliga wegnehmen?

Das könnte nur über eine Solidarität der Vereine funktionieren. Daß die sich selbst auf eine gewisse Anzahl von ausländischen Spielern beschränken.

So wie beispielsweise in Spanien...

Es ist die Frage, ob das möglich ist. Aber das muß sicherlich mal besprochen werden.

Wieviel Wert diese Absprachen sind, war zuletzt im Tischtennis zu erleben.

Das ist dann das nächste Problem. Wenn man diese Absprache hätte, wäre schon einmal etwas gewonnen. Ob sie tatsächlich eingehalten würde, kann man dann ja sehen.

Uwe Schwenker, Manager des THW Kiel, hat kürzlich den Vorschlag gemacht, die Nationalmannschaft aufzulösen...

Nein, das hat er nicht. Er hat das ein paar Tage später relativiert.

Sie müssen sich also um Ihren Job als Bundestrainer nicht sorgen, noch ehe Sie so richtig mit Ihrer Arbeit begonnen haben?

Nö, nö. Das ist kein Thema.

Sie hätten dann ja immer noch Ihr Versicherungsbüro. Haben Sie selbst schon eine Versicherung abgeschlossen, im Falle, daß Sie als Bundestrainer scheitern sollten?

Nein, das habe ich nicht. Ich gehe auch nicht davon aus, daß ich dafür eine Versicherung brauche.

Würden Sie als Versicherungsanbieter überhaupt ein solch hohes Risiko eingehen?

Ich sehe das gar nicht als so großes Risiko an. Interview: Frank Ketterer