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: Man trägt wieder Leistung

Eine typisch deutsche Arbeitnehmer- Familienkarriere: Opa war Kohlenträger, Papa Briefträger und der Sohnemann ist LEISTUNGSTRÄGER. Leistungsträger! Na bitte! Von wegen die Zeiten werden schwerer in Deutschland. Leichter werden sie, leichter. Kein Drücken mehr im Kreuz, kein Zerren an der Schulter, keine vorzeitige Erwerbsunfähigkeit wegen Bandscheibenschadens. Neulich startete das Max-Planck-Institut in München einen physikalischen Versuch, eine Portion Leistung zu wiegen. Der Zeiger an der Waage rührte sich nicht. Kein Wunder, Leistung ist mit solch konventionellem Gerät nicht zu messen. Leistung ist körperlos, virtuell. Und eben drum zukunftweisend in der Post-modernen Digitalisierungsgesellschaft. Deswegen wird der Leistungsträger auch gut bezahlt. Besser als Kohlenträger, Briefträger, Hosenträger, Prothesenträger (der Leistungsträger-IQ-Test: Welcher dieser Begriffe paßt hier nicht?) Schützt den Leistungsträger! Das glaubt inzwischen auch die SPD.

Die Steuerreform benachteilige vor allem den Leistungsträger, hatte SPD- Wirtschaftsvordenker Lafontaine unlängst gemosert. Den mittelschichtigen, sozialdemokratischen Leistungsträger, der bis 90.000 Mark im Jahr verdient. Der spare am wenigsten durch die Steuerreform. Das sei doch leistungsuntragbar, sagt Lafontaine.

Anpassungsfähig ist er ja, der Lafontaine. Wo doch eigentlich die Rexrodt-Liberalen den Leistungsträger entdeckt hatten, während die SPD noch über die „Besserverdienenden“ nörgelte, die um die 60.000 Mark im Jahr verdienten (war das nochmal brutto oder netto?). Nach SPD- Meinung hätten die ruhig ein bißchen mehr abgeben können, damals, um den Sozialstaat zu retten. Aber die Besserverdienenden haben sich glücklicherweise alle in Leistungsträger verwandelt! Alles fügt sich. Wer viel verdient, leistet was, und wer was leistet, ist gut. Wer viel verdient, ist gut für Deutschland! Ha! Das hat Opa mit der Kohlentrage insgeheim auch immer geglaubt. Barbara Dribbusch