Geschäfte mit Frauen um Geld und Gewissen

■ Das neue Abtreibungsgesetz in Polen stößt auf Widerstand bei vielen Ärzten

Warschau (taz) – Was kostet ein katholisches Gewissen? Im schlesischen Kattowitz läßt sich der Preis genau beziffern. Dort ruinieren seit mehreren Tagen einige Krankenhaus-Gynäkologen die Ehre eines ganzes Berufsstandes. Ihr gutes katholisches Gewissen verbiete es ihnen, Abtreibungen durchzuführen, erklärten die Ärzte an allen 42 Krankenhäusern der Wojewodschaft Kattowitz. In ihren privaten Praxen jedoch haben einige dieser Ärzte weniger Probleme mit ihrem Gewissen. Da können sie aber auch für eine Abtreibung 1.000 bis 1.500 Zloty kassieren, den Gegenwert von zwei durchschnittlichen Monatsgehältern in Polen.

Die „Gewissensklausel“, die der polnische Gesetzgeber Ende letzten Jahres ganz bewußt in die liberalisierte Fassung des Gesetzes aufnahm, sollte verhindern, daß ein Arzt zu einem Eingriff gezwungen wird, den er aus ethischen Gründen ablehnt.

Seit dem 4. Januar haben Frauen in Polen auch dann das Recht, eine Schwangerschaft abzubrechen, wenn sie sich in einer schwierigen persönlichen oder sozialen Lage befinden. Bisher war das nur erlaubt, wenn das Leben der Frau gefährdet war, das Kind nicht überlebensfähig oder mit schweren Mißbildungen geboren würde oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung war.

Die katholische Kirche, die das Gesetz gerne verhindert hätte, rief die Ärzte dazu auf, ihrem christlichen Gewissen zu folgen und die Frauen, die sich in einer sozialen oder persönlichen Notlage befanden, wieder nach Hause zu schicken. In der Wojewodschaft Kattowitz folgten alle 42 Krankenhäuser dem Appell des Erzbischofs Damian Zimon: Sie wollen künftig kein Leben mehr „vernichten“ – jedenfalls nicht aufgrund einer sozialen Indikation, die die Frauen berechtigt, den Abbruch kostenlos vornehmen zu lassen. Die Föderation für Frauen und Familienplanung, die schlagkräftigste Frauenorganisation in Polen, alarmierte am Dienstag den Gesundheitsminister, daß Tausende von Ärzten im Kattowitzer Raum, aber auch in Tarnos, Rzeszow, Posen und anderen Städten die Abtreibung in den Krankenhäusern verweigerten. Sie weigerten sich auch, den Frauen einen Kollegen zu nennen, der den Abbruch vornehmen würde. Damit sei das neue Recht der Frauen, nach einer Beratung selbst über einen Abbruch entscheiden zu können, zur Farce geworden.

Ärzten, die sich im Krankenhaus auf die Gewissensklausel berufen, in ihrer Privatpraxis den Eingriff dann aber doch gegen Geld vornehmen, droht nun ein Verfahren vor dem Ehrengericht der Ärzte. Auch der Gesundheitsminister hat inzwischen Maßnahmen angekündigt. Die Wojewoden sollen ermächtigt werden, mit Privatpraxen Verträge abzuschließen. Da die niedergelassenen Gynäkologen aber bereits signalisiert haben, daß sie keinen Wert darauf legen, auf eine Liste gesetzt zu werden, die dann als „die Mörderärzte“ kursiert, muß auch die Informationsweitergabe anders als im Gesetz vorgesehen organisiert werden.

Wahrscheinlich werden die Frauen, die sich zu einer Abtreibung gezwungen sehen, die Adresse eines Gynäkologen nicht mehr nach dem Beratungsgespräch oder in einer Klinik erhalten, sondern auf einem neu einzurichtenden Amt der Wojewodschaft. Die Kirche hat ihre neue Kampfstrategie noch nicht bekanntgegeben. Gabriele Lesser