Bonn will sich für Sarkuhi einsetzen

■ Termin mit deutschem Botschafter geplatzt. Iranische Schriftsteller erwarten weitere Einschüchterungen und Festnahmen. Teheran versucht erneut, den "Mykonos"-Prozeß zu beeinflussen

Berlin (taz) – Außenminister Klaus Kinkel hat angeordnet, den Fall des vermißten Schriftstellers Faradsch Sarkuhi „mit allem Nachdruck zu verfolgen“. Dies sagte Außenamtssprecher Martin Erdmann gestern in Bonn. Zugleich gab er bekannt, daß das iranische Außenministerium einen anvisierten Termin für den deutschen Botschafter in Teheran habe platzen lassen. Botschafter Horst Bächmann wollte Auskunft über das Schicksal von Faradsch Sarkuhi erhalten. Der ursprünglich für Donnerstag im Teheraner Außenministerium ins Auge gefaßte Termin habe sich „nicht realisiert“, sagte Erdmann. Es sei aber üblich, daß bis zur Genehmigung eines Termins in Teheran eine gewisse Zeit verstreiche.

Nach unbestätigten Meldungen wird der stellvertretende iranische Außenminister Maliki Anfang der kommenden Woche nach Bonn reisen. Neben offiziellen Gesprächen wird er in der iranischen Botschaft in Bonn auch mit der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Annemarie Schimmel, zusammentreffen und über den Fall Sarkuhi reden.

Die Nachricht, daß der iranische Schriftsteller Faradsch Sarkuhi in europäischen Zeitungen über seine geheime Haft und Folter berichtet hat, hat in Teheran unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Das Mullah-Ragime entschied sich, mit Verweis auf die Fastenzeit Ramadan, überhaupt nicht zu reagieren. Nur wenige Schriftstellerkollegen von Sarkuhi wagten, eine Stellungnahme abzugeben. Muhammed Ali Shepanlu, Herausgeber der Zeitschrift Takapu, sagte: „Die Behörden schreiben unsere Geschichte einfach um. Sie beschatten uns Schriftsteller. Und sie verwandeln uns in Spione, wenn sie meinen, daß es ihrer Sache dient.“ Sein Schriftstellerkollege Mansour Kuschan pflichtete ihm bei: „Seit vier Monaten hat das Informationsministerium verboten, daß wir uns treffen, um über unseren Schriftstellerverband zu diskutieren. Jetzt, wo die Weltpresse über Sarkuhi geschrieben hat, werden ich und ein halbes Dutzend anderer Aktivisten gegen die Zensur bestimmt im Gefängnis landen.“ Schriftsteller und Intellektuelle im Iran äußerten die Ansicht, Sarkuhi sei für die „Sonderbehandlung“ ausgesucht worden, weil er dem iranischen Geheimdienst als die treibende Kraft hinter dem Aufruf der 134 Schriftsteller aus dem Jahre 1994 zur Gründung eines unabhängigen Schriftstellerverbandes gelte. Nach Angaben von Shepanlu wurden alle 134 Schriftsteller in einem Brief unmittelbar nach der ersten Verhaftung von Sarkuhi am 3. November aufgefordert, ihre Unterschrift unter den Aufruf zurückzuziehen. In dem Brief, der als Absender den Namen „Hizbollahs Partisanen“ trug, hieß es weiter: „Falls nicht, wirst Du zu den Unterzeichnern gerechnet und deren Schicksal teilen.“

Die iranische Regierung hat unterdessen erneut versucht, Einfluß auf den „Mykonos“-Prozeß zu nehmen. Sie soll gegenüber der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran (DPK-I) damit gedroht haben, sie werde die Partei „mit ihren sämtlichen Möglichkeiten“ angreifen, sollten „die Familien der Opfer im Restaurant ,Mykonos‘ auf ihr Recht vor dem Berliner Gericht nicht verzichten“. Das geht aus einem Schreiben der DPK-I hervor, das der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Hans-Joachim Ehrig, in der kommenden Woche im Verfahren verlesen lassen will. Der DPK-I gehörten die vier Politiker an, die im September 1992 im Berliner Lokal „Mykonos“ erschossen worden sind. Auftraggeber des Mordes soll die iranische Regierung gewesen sein.

In dem Schreiben der DPK-I heißt es weiter, daß die Islamische Republik Iran bereit sei, „einige politische Gefangene freizulassen“, sollte die Nebenklage auf ihr Recht verzichten. Diese Botschaft sei der DPK-I von Vertretern der Patriotischen Union Kurdistans (Irak) (PUK) bei einem Treffen der Politbüros beider Parteien Anfang Dezember „offiziell mitgeteilt“ worden. Die PUK Talabanis unterhält gute Kontakte zur iranischen Regierung. Ehrig hält die Mitteilung der DPK-I für plausibel. Sie stehe in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu den Plädoyers der Bundesanwaltschaft, die im November im „Mykonos“-Prozeß gehalten worden waren. Darin hatten die Bundesanwälte die iranische Regierung für das Attentat verantwortlich gemacht und damit in Teheran schwere Proteste ausgelöst. Dr/Pj