Unsinnige Sparpläne

■ Radikale Kürzungen bei der Aids-Prävention

Wenn überall gespart wird, kommt der Aidsetat nicht ungeschoren davon. Damit konnte jeder rechnen. Aber daß die Mittelkürzung so dramatisch ausfällt, überrascht selbst hartgesottene Zeitgenossen. Es wurde mal eben ein Drittel der bisherigen Zuwendungen weggeholzt.

Aber der radikale Einschnitt ist nicht nur eine Reaktion auf leere Kassen. Er spiegelt in erster Linie ein Stück gesellschaftliches Bewußtsein wider. Streichungen in diesem Ausmaß traut sich ein Politiker nur, wenn er Zeitgeist oder Stammtisch hinter sich weiß. So sehr die Aidshilfen auch gegensteuern: In der Öffentlichkeit ist nach den letzten medizinischen Erfolgsmeldungen der verhängnisvolle Eindruck entstanden, daß sich in Sachen HIV irgendwie schon alles zum Guten entwickeln wird. Wozu also noch unnötig Geld rauswerfen?

Die medizinischen Erfolge sind aber kein Anlaß für eine Entwarnung. Erste Folgewirkung der neuen Medikamente: Der Kreis der HIV-Infizierten wächst. Aus den USA erreichen uns Meldungen, daß die Zahl der Aidstoten – endlich und Gallo sei Dank – stark zurückgeht. Für die Neuinfektionen trifft dies leider nicht zu.

Der Rest ist bloße Arithmetik: Wenn weniger „wegsterben“, wie Epidemilogen es nennen, aber immer neue Infektionen dazukommen, dann muß die Zahl der Menschen mit HIV und damit auch die Arbeit der Aidshilfen, Pfleger und Ärzte zunehmen. Dann braucht es nicht weniger, sondern mehr Beratung und Geld.

Zweite Konsequenz: Mit den neuen Medikamenten verändert sich auch das Bedrohungsszenario. Das medikamentös zurückgedrängte und im Blut oft nicht mehr nachweisbare Virus könnte suggerieren, es sei tatsächlich verschwunden. Dies wiederum verändert die Bereitschaft zu Safer Sex enorm. In solch einer Situation sind Streichungen bei der Prävention lebensgefährlich.

Und sie sind teuer: Jede Neuinfektion, die durch falsches Sparen nicht vermieden wird, kostet nicht nur Menschenleben, sondern sehr viel Geld. Eine Behandlung mit den neuen Medikamenten kostet im Jahr ein halbes Einfamilienhaus.

Wer Geld sparen will, der muß es folglich jetzt ausgeben. Für diejenigen, die bei der Aidsverhütung am meisten leisten. Manfred Kriener

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