Schrotflinte unterm Ladentisch

■ Selbstbewaffnung oder Heroinfreigabe: Politiker, Polizeichef und Einzelhändler, diskutierten über Kriminalitätsbekämpfung

Ist Hamburg noch sicher? Während die Kriminalitätsentwicklung in vielen Bereichen eher nach unten zeigt, hat sich die Zahl der Raubüberfälle auf Gaststätten und Einzelhandelsgeschäfte 1996 drastisch erhöht. Mit Gegenmaßnahmen beschäftigte sich am Freitag in den Räumen der Patriotischen Gesellschaft ein hochkarätiges Expertengremium.

Dem harten Thema „angemessen“ diskutierten ausschließlich Männer, neun an der Zahl, auf dem Podium über law and order in der Hansestadt. Mit dabei: Hamburgs Polizeichef Ernst Uhrlau, Ex-Innensenator Werner Hackmann sowie Vertreter des Einzelhandels.

Vor allem Werner Baetke, Chef des Hamburger Lotto- und Toto-Verbandes, rief nach mehr Polizei und der harten Hand des Gesetzes. Würde die Polizei ihre Präsenz auf der Straße nicht merklich verstärken, würden die Ladenbesitzer möglicherweise „selber aufrüsten“. Die „Angst wird größer als der Verstand“, malte der Verbandschef die Stimmung seiner „Zunft“ in düsteren Farben. Baetke: „Am liebsten hätte ich ein Schrotgewehr unterm Ladentisch“. Der Verbandsvorsitzende kritisierte zudem, daß eine Alarmschaltung zur nächsten Polizeidienststelle noch immer „3000 Mark pro Jahr“ koste – für viele Einzelhändler viel zu teuer.

Mit populistischen Vorschlägen erntete Ludwig Görtz, Präses des Einzelhandelsverbandes, auf der von Statt Partei organisierten Veranstaltung Applaus. Zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung empfahl er neben stärkerer Polizeipräsenz („Aus den Amtsstuben raus auf die Bürgersteige“) „die schnelle Abschiebung abgelehnter oder straffällig gewordener Asylbewerber“.

Weit moderatere Konzepte hatte dagegen Ex-Innensenator Werner Hackmann zu bieten: Die Polizei müsse von zeitaufwendigen Routineaufgaben, wie der Aufnahme leichter Verkehrsunfälle und der Bewachung von Kasernen entlastet werden, um sich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen. Hier warb Hackmann, inzwischen Chef eines privaten Sicherheitsdienstes, vor allem für die „Kooperation der Polizei mit den Sicherheitsdiensten“.

Polizeipräsident Ernst Uhrlau hingegen nahm vor allem die Einzelhändler selber in die Pflicht. Sicherheit sei „nicht umsonst zu haben“ betonte er. Da eine polizeiliche Rundum-Bewachung aller Geschäfte „schier unmöglich“ sei, müßten die Händler „ihre eigenen Sicherheitsüberlegungen stärken“. Doch vielen Ladenketten und Einzelhändler seien offenbar „technische Sicherheitsmaßnahmen“ aber auch die Schulung ihrer MitarbeiterInnen durch die Polizei „zu teuer“.

Daneben plädierte der Polizeichef für die „Bekämpfung der Beschaffungskriminalität“ durch eine veränderte Drogenpolitik (“Eindeutig ja zur Heroinfreigabe“). Eine stärkere Präsens der Polizei in Einkaufsgegenden sei aufgrund der „breitflächigen Verteilung der Tatorte“ hingegen weder finanzbar noch sinnvoll: „Das schreckt die Täter nicht ab, sondern verlagert die Kriminalität nur in die Nebenstraße“. Marco Carini