■ Mikrokredit-Gipfel: Was bringt das Armen-Banking?
: Lektion für den Norden

Der Gedanke besticht – 100 geliehene Mark verhelfen einem mittellosen Menschen zur selbständigen Existenz. Zumindest im globalen Süden. Durch Mikrokredite wird das Gebrauchtrad für Kurierdienste oder der Grillofen für den Straßenverkauf erschwinglich. In Ländern wie Bangladesch ist das Armen-Banking zur Massenbewegung geworden. Zwischen 15 und 20 Millionen Familien, von denen sich die Banken bisher keinen Gewinn versprachen, verschaffen sich weltweit solche Kleinstdarlehen. „Mikrofinanzinstitutionen“, meist aus lokalen Genossenschaften hervorgegangen, leihen Geld für den Kauf von Saatgut, für Medikamente und Hochzeiten – ohne Wucherzinsen.

Wo die Subsistenzproduktion zerfällt und die Geldwirtschaft wächst, sind ein paar Soles oft die letzte Chance, um den Ruin abzuwenden. Doch es fehlt an diesem Geld, und auch Kleinstkredit-Projekte erreichen die Allerärmsten nur selten. Auf dem Washingtoner Mikrokredit-Gipfel wird jetzt gefordert, auch Finanzinstitute wie American Express mögen sich im Mikrokreditgeschäft engagieren. Immerhin ließe sich auch was verdienen, denn die Raten werden überraschend zuverlässig zurückgezahlt. Insgesamt soll der Norden 30 Milliarden Mark für 100 Millionen Besitzlose im Süden mobilisieren.

Ob das den Armen hilft, ist fraglich. Die internationale Kapitalschwemme könnte die mühsam aufgebauten lokalen Kreditkreisläufe beschädigen. Außerdem ginge die eingesteckte Bankrendite den Bedürftigen verloren. Und wie soll der in Washington verlangte multinationale Milliarden-Fonds vor bürokratischer Ineffizienz bewahrt werden? So scheinen einige Marktradikale im Mikrokredit die Wunderwaffe gegen Armut entdeckt zu haben: Pumpt den Habenichtsen eine Handvoll Dollars, dann werden sie sich schon allein aus der Misere rausarbeiten! Der ökologische und wirtschaftliche Rahmen spielt da keine Rolle. So quetscht angelsächsischer Pragmatismus die Massenverarmung in eine monetäre Zielgröße zusammen.

Und trotzdem führt am Armen-Banking kein Weg vorbei. Immer mehr Arme fallen auch im Westen aus dem traditionellen Bankgeschäft heraus. So steht z.B. ein Viertel aller Briten ohne eigenes Konto da. In Großbritannien und den USA verschaffen sich bereits Hunderttausende Verarmte über Kleindarlehen Bares, nach dem Vorbild der Grammeen-Bank in Bangladesch, Kairo, Bangkok. Das ist die Lektion für den Norden. Thomas Worm