Thriller um verschwundenen Bericht

■ Neue Enthüllungen in Südafrika über die Beteiligung des militärischen Geheimdienstes an illegalen Aktivitäten

Johannesburg (taz) – Ein bislang streng geheimer Untersuchungsbericht in Südafrika belegt, daß die Apartheid-Armee und ihre Geheimdienste bis weit in die 90er Jahre hinein in Aktionen einer illegalen „Dritten Kraft“ verstrickt waren. Mit einer Veröffentlichung der linksliberalen Wochenzeitung Weekly Mail and Guardian vom Freitag ist außerdem erwiesen, daß es den sogenannten Steyn-Bericht tatsächlich in schriftlicher Form gibt. Darum war in den vergangenen Wochen ein Verwirrspiel inszeniert worden, das jedem Thriller zur Ehre gereichen würde.

Hintergrund ist eine Untersuchung, die der letzte weiße Präsident des Landes, Frederik de Klerk, 1992 anstrengen mußte, nachdem die sogenannte Goldstone-Kommission eine Einheit des militärischen Geheimdienstes entdeckt hatte, die tief in die politische Gewalt in Südafrika verstrickt war. De Klerk beauftragte den damaligen Stabschef General Pierre Steyn damit, den Vorwürfen nachzugehen. Was der zutage förderte, war hochbrisant, hat aber angeblich nie in schriftlicher Form existiert. De Klerk behauptet bis heute – nachdem die Wahrheitskommission vor zwei Wochen erklärt hatte, eine schriftliche Version des Berichts vorliegen zu haben –, daß er damals nur mündlich informiert worden sei. De Klerk mußte einige Generäle suspendieren, die meisten wurden jedoch rückwirkend wieder eingesetzt. Einer der Generäle, die Steyn damals zur Entlassung empfahl, hat auch heute noch eine hohes Amt: General Georg Meiring, im „neuen“ Südafrika Chef aller Streitkräfte.

Steyns Untersuchungen zufolge waren Teile des militärischen Geheimdienstes in kriminelle Machenschaften jeder Art verwickelt: Waffenschmuggel, Betrug, Diebstahl, Drogenhandel und Mord. Geheimdiensteinheiten waren an Massakern in Vorortzügen rund um Johannesburg beteiligt, gemeinsam mit dem bahneigenen Geheimdienst. Kurz vor den Wahlen im Jahr 1994 waren dabei Dutzende von Menschen ums Leben gekommen. Außerdem belegt der Bericht, daß die Armee in verschiedenen Ländern, darunter Kenia, Sambia und Mauritius, Waffenlager hatte, um die dortigen Regierungen zu destabilisieren und eine mögliche schwarze Regierung im eigenen Land bekämpfen zu können. Die von Goldstone entdeckte Geheimeinheit mit dem Namen „Abteilung für Geheime Sammlungen“ trainierte auch Todesschwadrone der Inkatha-Freiheitspartei und die Rebellenbewegung Renamo in Mosambik.

Nicht alle Einzelheiten des Steyn-Berichts sind vollkommen neu. Sie widerlegen jedoch alle bisherigen Beteuerungen der alten Armeeführung – und de Klerks – vor der Wahrheitskommission, von der Existenz der sogenannten „Dritten Kraft“ innerhalb der Sicherheitskräfte nichts gewußt zu haben. Während die Wahrheitskommission bisher große Erfolge bei der Enthüllung der mörderischen Aktivitäten der Geheimpolizei hat, ist über die Rolle der Armee und ihrer Geheimeinheiten nur wenig bekannt. Reihenweise haben frühere Geheimpolizisten Amnestie beantragt und damit in der vergangenen Woche zur Aufklärung des Tods von Steve Biko beigetragen, in der Armee sucht man bisher jedoch vergeblich nach bekennenden Tätern. Kordula Doerfler