Verkehrsminister im Planungschaos

■ Rechnungshof rügt, Milliarden für Güterverkehr kommen nicht an. SPD und Grüne fordern Rücktritt

Berlin (taz) – Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) läßt den Güterverkehr der Bahn am ausgestreckten Arm verhungern. Der Bundesrechnungshof hat den Minister in einem noch vertraulichen Bericht für dessen konzeptionslose Bahnpolitik gerügt. Hauptkritikpunkt des am Wochenende bekanntgewordenen Papiers: Vier Milliarden Mark, die eigentlich für die Förderung des kombinierten Verkehrs von Bahn und Brummi ausgegeben werden sollten und sollen, würden zum Teil einfach umgewidmet. Die Gelder sollten seit 1993 bis zum Jahre 2012 für den Ausbau von 52 Güterverkehrszentren genutzt werden.

Der bündnisgrüne Verkehrspolitiker Ali Schmidt forderte deswegen gestern den Rücktritt des CDU-Politikers. Wissmann habe dem Parlament seit Jahren die nach dem Schienenwegeausbaugesetz vorgeschriebenen Berichte über die Finanzierung neuer Bahninfrastruktur versagt. Nur so sei die Umlenkung der riesigen Beträge am Parlament vorbei möglich gewesen. „Das Maß ist voll, der Minister muß gehen.“ Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, forderte den Rücktritt Wissmanns. Der Verkehrsminister habe nichts für die Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die Schiene unternommen.

Im Verkehrsministerium bestritt man gestern den Vorwurf der Zweckentfremdung von Mitteln. Wissmanns Sprecher Franz-Josef Schneiders räumte zwar ein, daß die Investitionen in sogenannte Bahnterminals zum Umladen von der Straße auf die Schiene „nicht in dem gewünschten Maße geflossen“ seien. Auch sei 1994 und 1995 kaum Geld in diesen sogenannten kombinierten Verkehr geflossen. Aber die so gesparten Summen seien gesetzeskonform an anderer Stelle in den Ausbau der Bahnstrecken gesteckt worden.

Schuld an dem Planungschaos ist nach Schneiders Angaben die Deutsche Bahn AG, die mit ihren Planungsunterlagen nicht rübergekommen sei. „Dort gab es Anfangs- und Anlaufschwierigkeiten nach der Bahnreform.“

Solche Entschuldigungen wollte Gila Altmann, verkehrspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag gestern nicht gelten lassen. Der Rechnungshof kritisiere völlig zu Recht, daß das Verkehrsministerium für den Ausbau des Güterverkehrs mit der Bahn „überhaupt kein Konzept hat“. Und ohne Konzept könne man sein Geld eben auch nicht vernünftig ausgeben. Vor allem deshalb habe das Verkehrsministerium von den für 1995 bis 1997 geplanten 422 Millionen Mark nur 246 Millionen wirklich in die Güterterminals stecken können.

Abgesehen davon, sei es natürlich zutreffend, daß auch die Deutsche Bahn AG die Planungen im Güterverkehr vernachlässigt habe. „Die Bahn AG hat am dezentralen Güterverkehr eigentlich überhaupt kein Interesse“, schimpft Altmann. „Die denken immer nur an große Kräne und fürchterlich aufwendige Umladeprozeduren.“ Dabei könne man mit transportablen Techniken heute schon per Raupe die Ladung von Lkws auf Bahnwaggons umladen und umgekehrt. Das haben die Firmen Edelhoff und ABB Henschel schon gemeinsam erprobt. Hermann-Josef Tenhagen