Familienfehde endete im Knast

■ 17jähriger aus Celle wegen Blutrachemordes zur Höchststrafe von zehn Jahren Haft verurteilt: Er tötete den Mörder seines Bruders

Celle. Wegen Mordes aus Blutrache und versuchter Tötung in drei Fällen hat die auswärtige Jugendstrafkammer des Lüneburger Landgerichts in Celle am Montag einen 17jährigen Türken zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Gericht unter Vorsitz von Jürgen Kunkis erkannte den Angeklagten des Mordes an einem 31 Jahre alten Kurden aus Celle für schuldig, der wiederum den 20jährigen Bruder des Angeklagten umgebracht hatte. In dem mehrere Wochen dauernden Prozeß unter Ausschluß der Öffentlichkeit hatte die Staatsanwaltschaft neun Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung hielt viereinhalb Jahre wegen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen für ausreichend.

Hintergrund der Tat am 11. Juni 1996 ist eine seit Jahren schwelende Fehde zwischen den Familien des jüngsten Opfers und des Täters. Beide betreiben in unmittelbarer Nachbarschaft in Celle Lebensmittelgeschäfte. Der Streit eskalierte im Sommer 1995, als der 31jährige Kurde den Bruder des 17jährigen erschoß und dabei eine Tante lebensgefährlich verletzte. Deswegen wurde der Schütze zu elf Jahren Haft verurteilt. Als er am 11. Juni in Begleitung von drei Justizbeamten aus der Haftanstalt Celle-Salinenmoor zur ambulanten Behandlung in ein Celler Krankenhaus gebracht wurde und das Gebäude verließ, feuerte der 17jährige die tödlichen Schüsse ab und verletzte dabei auch die Beamten.

Richter Kunkis sagte zur Begründung seines Urteils, Maßstab für die Verurteilung sei die deutsche Rechtsordnung und nicht die Anschauung einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte hier nicht anerkenne. Es sei besonders verwerflich, daß sich der Täter zur Wahrung der Ehre gleichsam als Vollstrecker eines von ihm gefällten Todesurteils über die Rechtsordnung und das Leben eines anderen Menschen erhoben habe. In seiner im Krankenhaus arbeitenden Schwester habe der 17jährige eine Helferin gehabt. Diese habe den Häftling dort erkannt und ihren Bruder zu Hause angerufen. Der packte zwei volle Magazine und seine Schußwaffe ein und radelte zum Tatort.

Die Polizei zählte später 13 Schüsse auf den Gefangenentransporter, in dem der 31jährige starb. Belastend wirkte sich aus, daß die drei Beamten ebenso wie das Opfer arg- und wehrlos waren, sagte Richter Kunkis. Der Vater beteuerte, er und die Familie stünden nicht hinter der Blutrache. dpa