Datenschleudern Von Mathias Bröckers

Auf meinem Datentrampelpfad, einer Klingeldrahtkonstruktion quer durch die ganze Wohnung, läuft nach wie vor alles klaglos – jenseits von „Autobahn“ und ISDN-Glasfasern. Dank der Telekom, die die Leitung unlängst auf das digitale Wahlsystem umgestellt hat, wurde der selbstgebastelte Datenhighway auch noch kostenlos aufgerüstet: Telefon, Fax und Modem pfeifen sich jetzt in Windeseile zum Empfänger durch und lassen sich dabei weder von diversen Lüsterklemmen noch von gewagten Tesakrepp-Verbindungen aufhalten.

Daß das Runterladen von Dateien aus dem Internet etwas länger dauert, liegt nur an dem antiquierten Modem, von dem ich mich nicht trennen kann. Vor fünf Jahren war es vom Allerfeinsten und kostete fast 1.000 Mark, heute werden die Dinger für 79 Mark angeboten – so schnell geht es heutzutage von der High-Tech zur Elektronik-Antiquität. Und doch werde ich dem neuen Angebot der Modem-Hersteller US Robotics nicht widerstehen können: eine Datenschleuder, die meinen Kupferdraht-Trampelpfad mit 57.600 bps endgültig fit macht. Wem diese Geschwindigkeit nichts sagt: Mitte der 80er übertrugen die Modems 1.200 Byte pro Sekunde; mittlerweile gelten 28.800 als Standard. Eine Ausweitung dieser Übertragungsrate, so wurde bis vor kurzem behauptet, sei allein der modernen Glasfasertechnik vorbehalten. Doch siehe da, es geht doch, und wenn man den ersten Tests der Fachmagazine glauben darf, funktioniert es sogar. Nach der Regel, wer zu früh kauft, den bestraft der Preisverfall, werde ich mich zwar noch ein bißchen gedulden, doch schon einmal in eine Rolle Isolierband für den Highway investieren. Eine gewisse Eile ist nämlich trotzdem geboten, denn die herrlichen Zeiten des Internet neigen sich schon dem Ende zu. Soeben hat das Wall Street Journal angekündigt, seine digitalen Seiten künftig nur gegen Bezahlung zu öffnen – das Abo wird fast ebenso teuer sein wie die gedruckte Ausgabe. Wenn das Beispiel Schule macht, dann ist es mit dem freien und nahezu kostenlosen Info-Zeitalter bald vorbei.

Es ist ja auch eigentlich zu schön, um wahr zu sein: sich nächtens zum Mondscheintarif eine internationale Presseschau zusammenstellen, drei Suchmaschinen gleichzeitig nach Begriffen und Zusammenhängen recherchieren lassen, die besten Fundstücke gleich runterladen – und das alles für ein paar Groschen Telefongebühren. Früher hätten solche Recherchen mehrere Wege in Bibliotheken und tagelang Zeit gekostet, heute kostet es fast nichts und ist mit ein paar Mausklicks erledigt – da kann doch was nicht stimmen! Das Vorhaben des Wall Street Journal deutet an, nach welcher schnöden Methode die Sache funktioniert: Man gebe dem Klienten den besten Stoff eine Weile gratis, und wenn er ihn schätzen gelernt hat und nicht mehr missen will, geht's ans Kassieren und Absahnen. Der Verdacht drängt sich auf, daß diese wunderbaren Modems nur deshalb jetzt so billig werden. Was hilft die mächtigste Datenschleuder noch, wenn das, was sie rüberschaufelt, demnächst alles in Byte und Pfennig abgerechnet werden muß? Nein, dann installiere ich lieber wieder mein 2.400er Museumsstück – die Buschtrommel auf dem Datentrampelpfad.