Rechter Durchmarsch

■ Frankreich: Sensationeller Erfolg der Front National

47 Prozent für eine bis dato unbekannte Kandidatin der Front National in der Provinzstadt Vitrolles zeigen: Die Partei hat ihren Zenit noch nicht erreicht. Im Süden Frankreichs fällt eine Stadt nach der anderen in die Hände der extremen Rechten.

Sicher: Frankreichs Süden zeichnet sich durch viele Besonderheiten aus: das Mißtrauen gegen Paris, der Regionalismus und eine Neigung zu klientelistischen Politikern. Auch die starke Zuwanderung Anfang der 60er Jahre, die der Region zahlreiche Pieds noirs – vertriebene französische Siedler – und ehemalige Kolonisten beschert haben, gehören dazu. Aber die Front National ist eben nicht nur im Süden auf dem Vormarsch. Auch in den einstigen Textil- und Bergbauregionen in der Grenzregion zu Belgien, im Elsaß und im Arbeitergürtel rund um Paris waren sie erfolgreich.

Keine Frage: Die FN ist in die Fußstapfen der großen Arbeiterparteien getreten. Sie spricht an, was dieses Milieu verunsichert – Korruption, Arbeitslosigkeit und soziale Misere. Und sie macht Lösungsvorschläge. Allerdings die falschen. Als Hauptübel macht sie die Immigration aus, und als Allheilmittel propagiert sie Nationalismus, den Austausch der „Altpolitiker“ durch ihre eigenen Leute und die Abschottung Frankreichs von Europa.

Die übrigen Parteien stellen die sozialen Fragen kaum noch. Für das Erstarken der Front National sind folgende Parteien mitverantwortlich: Jahrelang arbeiteten die Konservativen auf kommunaler Ebene mit Rechtsextremen zusammen, und die Sozialisten nutzten die Präsenz der Front National aus, um ihrerseits die Rechte im Wahlkampf zu schwächen.

Als Gegner ernst genommen wird die Front National nicht. Anstatt sie inhaltlich zu bekämpfen, beschränken sich die „Altparteien“ auf deren Verteufelung. Wann immer ein Rechtsextremer allzu stark wird, rufen sie „Alarm“, trommeln die üblichen Pariser Intellektuellen zusammen und hoffen so auf Einsicht der Wähler. Die „Republikanische Front“ gehört ebenfalls zu diesem Instrumentarium. Doch die Wähler haben erkannt, daß die Gemeinsamkeit der Demokraten im allerletzten Moment bloße Wahltaktik ist. Ein politisches Programm gegen die Rechtsextremen ersetzt sie nicht.

Dorothea Hahn Bericht Seite 9