Jäger des verlorenen Gedächtnisses

■ Johanna Heer und Werner Schmiedel über „Die Kunst des Erinnerns – Simon Wiesenthal“

Die Kunst des Erinnerns - Simon Wiesenthal von Johanna Heer und Werner Schmiedel portraitiert den Gründer des Dokumentationszentrums jüdischer Verfolgter des Naziregiems in Wien: Simon Wiesenthal. Der Film zeichnet sein Eintreten für die Aufklärung und gerichtliche Ahndung der Verbrechen des Dritten Reiches nach und skizziert ein detailreiches Portrait des 88jährigen, der als „der Nazijäger“ berühmt geworden ist. Genau ein Jahr, nachdem das Politmagazin Panorama Wiesenthal mit längst widerlegten Vorwürfen zu diskreditieren versuchte, kommt Die Kunst des Erinnerns nun in die deutschen Kinos. Mit ihrem international gelobten Dokumentarfilm stellen sich die Wiener Filmemacher ausdrücklich hinter die Arbeit des Östereichers.

taz: Bereits 1986 begannen sie mit den Vorbereitungen für „Die Kunst des Erinnerns - Simon Wiesenthal“. In einem Gespräch mit der Autorin Rebecca Lieb haben sie erklärt, die unrühmliche Kranzniederlegung von Bitburg und Kurt Waldheims Bekenntnis, er habe bei der SS nur seine Pflicht getan, seien Auslöser für ihr Projekt gewesen.

Johanna Heer: Unser Engagement beruht auch auf sehr persönlichem Interesse. Ich wollte mich schon immer filmisch mit diesen Themen auseinandersetzen, jedoch nicht gleich in meiner ersten Arbeiten.

Werner Schmiedel: Wir beide kommen eigentlich aus dem Kunstbereich. Johanna vom Spielfilm, ich von der Video-Kunst. Zusammen haben wir verschiedene Video-Installationen gemacht. Und es war ein immenser Einschnitt, diese künstlerische Arbeit für unseren Wiesenthal-Essay fast zu stoppen. Aber 1986, als die genannten Ereignisse stattfanden, haben wir gedacht und gefühlt, daß wir etwas tun müssen, und zwar in einer Form, mit der wir viele Menschen zu erreichen hoffen.

Die Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - davon lebt auch ihr Film. Sie springen bei der Darstellung der Person Wiesenthals zwischen den Zeiten.

Schmiedel: Es war für uns sehr wichtig, Wiesenthal nicht Geschichte werden zu lassen. Es gibt immer noch Leute, die glauben, er sei tot. Aber wenn er einmal stirbt, soll er eben nicht Geschichte sein.

Diese Technik, Verbindungen zu schaffen, findet sich auch in ihrer Filmästhetik wieder. Es gibt Spielfilmsequenzen und Ausschnitte aus historischem Dokumentarfilm-Material. Welche ästhetische Rolle spielt diese Verzahnung unterschiedlicher Mittel und Genres für Ihre Arbeit?

Heer: Uns geht es darum, die Medien untereinander in kreativer Weise zu vermengen und aufzubrechen, um vitalere künstlerische Formen zu finden. Insofern haben wir keine Berührungsängste bei der Verbindung von Spiel- und Dokumentarfilm. Das reizt uns geradezu.

Licht- und Farbsetzung sind sehr bewußt eingesetzt. Folgt das einem bestimmten darmaturgischen Schema?

Schmiedel: Was wir versucht haben, ist mit den Farben, die wir im Film verwenden, so etwas wie eine Musikspur zu legen. Wir versuchen durch das Licht eine Atmosphäre zu verstärken, ohne dabei etwas frei hinzu zu erfinden. Die Rose zum Beispiel, die auf Wiesenthals Schreibtisch steht, gibt es tatsächlich. Es ist ein Symbol, eine Geste, die wir verstärken, indem wir ein Licht darauf gesetzt haben.

Fragen: Jan Diestelmeier Vorführung: heute und Freitag, jeweils 19 Uhr, Donnerstag in Anwesenheit der Filmemacher, 19.30 Uhr, Metropolis