Kein Rassismus – nur Rassenkunde

■ Für Uni-Präsident Lüthje geht bei den Humanbiologen alles mit rechten Dingen zu

Als „Wissenschaftsrichter“ möchte er sich nicht aufspielen. Auch nicht, wenn es um Rassismus am Humanbiologischen Institut der Universität Hamburg geht. Die verfassungsmäßig garantierte Freiheit der Wissenschaft, so wird Uni-Chef Jürgen Lüthje nicht müde zu erklären, verbiete ihm, Stellung zu Lehrinhalten zu nehmen – selbst wenn diese Inhalte seiner persönlichen Meinung zuwiderlaufen. So etwa der Begriff „Rasse“, der an eben jenem Institut immer noch ganz selbstverständlich auf Menschen angewendet wird. Angesichts der historischen Belastung hält Lüthje den Begriff für problematisch.

Nichtsdestotrotz ist „der Vorwurf des Rassismus im Hinblick auf die im Institut für Humanbiologie tätigen Wissenschaftler“ für ihn „nicht gerechtfertigt“. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das Lüthje schon Anfang Januar an Wissenschaftssenator Leonhard Hajen richtete. Dem Senator verspricht er darin: „Ich werde die Vorgänge zum Anlaß nehmen, vor allem im Rahmen künftiger Beratungen zur Entwicklung des Fachbereichs Biologie die Frage nach einem zukunftsweisenden Konzept der Humanbiologie aufzuwerfen.“ Daß in solch einem Konzept „rassenkundliche Aspekte eine Rolle spielen könnten“, hält Lüthje „für ausgeschlossen“.

Bisher jedoch wurde am Humanbiologischen Institut alle vier Semester eine Lehrveranstaltung zur „Rassenkunde des Menschen“ angeboten. Passend dazu: das Lehrbuch zur „Vergleichenden Biologie des Menschen“, geschrieben vom geschäftsführenden Direktor des Instituts, Rainer Knußmann. Darin bezeichnet der Autor etwa Homosexualität als „deviantes“ Sexualverhalten, das zu „Sittenverfall“ und „Bevölkerungsschwund“ beigetragen habe. In der schriftlichen Antwort der Universität auf eine kleine Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Wolfgang Marx an den Senat vom 24. Januar heißt es dazu: „Soweit ein Lehrbuch umstrittene oder auch wissenschaftlich überholte Aussagen darstellt, kann daraus noch nicht die Identifikation des Autors mit diesen Aussagen abgeleitet werden.“

Auch daß sich rechtsextreme Publikationen in der Bibliothek des Instituts finden, empörte Marx, etwa die Zeitschrift „Neue Anthropologie“, herausgegeben von der Gesellschaft für Biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung. Deren erster Vorsitzender ist der Hamburger Rechts-Anwalt Jürgen Rieger. „Über eine Zusammenarbeit zwischen der Gesellschaft und dem Institut für Humanbiologie“, so lautet jedoch die beruhigende Antwort des Senats auf Marx' Anfrage, lägen dem Verfassungsschutz bisher keine Erkenntnisse vor. flo