Auf die Sau Schnaps mit der Stasi

■ Bei Jagd und kleinen Wehwehchen kamen sich Westdeutsche und DDR-Grenzer näher: Heilpraktikerin als „IM Fiskus“ wegen Spionage vor Gericht

Celle. Eine westdeutsche Heilpraktikerin hat mitten im stacheldrahtbewehrten DDR-Grenzgebiet Offiziere der Staatssicherheit jahrelang mit Jägerlatein und Informationen über den Bundesgrenzschutz versorgt. Die 65 Jahre alte passionierte Jägerin mußte sich deshalb am Dienstag vor dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle wegen Spionage für die Stasi verantworten.

Die Angeklagte bekannte sich zwar zu den Treffen, sah darin aber kein Unrecht: „Das war doch ganz normal. Das waren doch Menschen wie wir.“ Richter Jürgen Dehn stellte das Verfahren am Mittag gegen Zahlung von 5.000 Mark Geldbuße ein. Mit Hilfe eines Tonbands war der Beweis erbracht worden, daß die Treffen entgegen den Beteuerungen der Frau nicht rein privaten Charakter hatten.

Die Heilpraktikerin, die am Bach Schwarzwasser bei Wustrow (Kreis Lüchow-Dannenberg) eine Jagd gepachtet hatte, bekam Kontakt zu den drei Stasi-Offizieren, als ihr Freund Eingeweide einer erlegten Wildsau über die Grenze warf. Der Gestank des „Aufbruchs“ rief Proteste der DDR-Grenzer hervor. „Auf die Sau tranken wir dann gemeinsam einen Schnaps mitten im Flußbett“, erinnerte sich die Angeklagte.

In der Folgezeit wurde das Jäger-Pärchen immer wieder im Dunkeln durch die Staatsgrenze geschleust. „Da saßen wir mit den Offizieren auf Campingmöbeln in einer Laube mitten in den Grenzanlagen. Manchmal habe ich die Männer auch geheilt, wenn sie Schmerzen hatten - Warzen, Rheuma oder Kopfweh zum Beispiel“, sagte die Heilpraktikerin.

Abenteuer- und Jagdlust sollen die Triebfeder für die „IM Fiskus“ gewesen sein, hieß es in den Stasi-Akten. Sie lieferte laut Anklage Landkarten, Bücher, BGS-Unterlagen, Informationen über den Bund der Vertriebenen und Daten über ein Technologiezentrum, aber auch über Protestaktionen der Bürgerinitiative Umweltschutz sowie Pornohefte und indische Liebeslyrik. Belohnt wurde die Frau mit Reisen in die DDR, aber auch mit einem Jagdausflug in den Ostharz.

Den dabei erlegten stattlichen Hirsch schleppte die zierliche Frau dann „konspirativ“ über die Grenze, um ihn verwurstet wieder in die DDR zurückzuschicken. Als Dank für die Stasi lag zu Weihnachten Lachs in Dosen am Sauenfutterplatz beim „toten Briefkasten“. Erst nach dem Fall der Mauer kamen die Offiziere mit ihren Frauen zu der Heilpraktikerin und offenbarten, daß sie nicht einfache Grenzer, sondern Stasi-Mitarbeiter waren. dpa