Der Lauschangriff der Werber

■ Weil sie wissen wollen, was Sie gerne kaufen, befragen Marketingfirmen Privathaushalte. Trotz Kritik des Datenschutzes - Gesetzeslücke macht's möglich

Würden Sie in den nächsten zwölf Monaten den Kauf eines Fernsehgerätes auf Raten erwägen? Ist es Ihnen wichtig, daß Ihre Krankenkasse Ihre Psychotherapie bezahlt? Wie viele Flaschen Wermut werden in Ihrem Haushalt jährlich vernichtet? Und wie alt ist eigentlich Ihr Hund?

Wenn noch nie jemand Ihre innersten Geheimnisse teilen wollte und Sie einen Ansprechpartner suchen: Wenden Sie sich vertrauensvoll an Angelika Burghardt von Calyx Marketing-Information- Services GmbH. Mit einer bundesweit angelegten „Großen Haushaltsumfrage“ erforscht die Calyx- Marketing seit einigen Tagen auch die Berliner Haushalte. Per Postwurfsendung landete diese Woche ein Faltblatt mit 91 Fragen – vom gebräuchlichsten Shampoo bis zur bevorzugten Finanzierung neuer Konsumgüter – in den Briefkästen der Stadt. Die Fragen sind selbstverständlich freiwillig zu beantworten, denn „wenn Sie einige Fragen nicht beantworten möchten, so überspringen Sie diese einfach“, heißt es in dem Faltblatt. Auch winkt ein Gewinnspielpreis von 10.000 Mark. Die Angaben werden, auch das verschweigt die Umfrage nicht, ausschließlich für Werbezwecke erhoben, damit Unternehmen gezielter auf Kundenfang gehen können.

„In dieser Detailliertheit ist uns so eine Datenerhebung noch nicht untergekommen“, gibt die Sprecherin des Berliner Datenschutzes, Claudia Schmid, entwaffnet zu. „Es besteht ein Niveaubruch beim Datenschutz zwischen öffentlichen und privaten Stellen“, mahnte sie eine Gesetzeslücke an. In dem Sinn kritisierte der Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka anläßlich der „Großen Haushaltsumfrage“, daß das Bundesdatenschutzgesetz privaten Unternehmen eine solche Datensammlung ermögliche, die für öffentliche Stellen ausgeschlossen werden könne. Garstka warnte, daß die Daten für Werbezwecke an Firmen geleitet und darüber hinaus international gehandelt würden. „In den USA bietet die Direktmarketing-Industrie zum Beispiel personenbezogene Informationen über deutsche Verbraucher zum Kauf an“, erklärte Garstka. Dabei sei „in den USA Datenschutz ein Fremdwort“. Vorsicht bei Haushaltsumfragen, lautet das Fazit des Datenschützers. Er kann allerdings nur warnen: Eine rechtliche Handhabe fehlt, wenn die Angaben freiwillig gegeben werden.

Bleibt den VerbraucherInnen nur, sich dem Motto der „Großen Haushaltsumfrage“ anzuschließen und den Bogen nicht auszufüllen. Denn, so der Faltblatt-Text: „Wußten Sie, daß 8 von 10 Produkten beim Kunden durchfallen? Weil Menschen wie Sie und ich entscheiden, daß sie nicht gebraucht werden. Und niemand spricht deutlicher zu den deutschen Herstellern als der Verbraucher.“ Barbara Junge