Melancholische Geheimtips

■ „Punch in out“ die Ausstellung zur „Woche der Bildenden Kunst 1997“

Der Riesenstrauß von Kunstveranstaltungen, die um die Eröffnung der Kunsthallenerweiterung herum stattfinden, hat Festival-Charakter. Den Beginn macht punch in out: kein Boxkampf, sondern der Titel der Ausstellung zur „Woche der bildenden Kunst 1997“.

Zur unkonventionellen Förderung junger Kunst 1980 gegründet, wurde die „Woche...“ zum Begriff für zahlreiche Kunstaktivitäten, die Gastkuratoren an interessanten Orten der Stadt plazierten. Nach starker Kritik und angesichts fehlender Gelder hat die „Arbeitsgruppe bildende Kunst“ die Verantwortung übernommen. Ebenso konzentriert wie schlicht stellt sie nun zehn Hamburger Künstler und Künstlerinnen im Kunsthaus aus.

Der Terminus „punch in, punch out“ kommt aus der Tontechnik und bezeichnet einen Zwischenschnitt in bereits fertiggestelltem Originalmaterial. Und so werden die jungen Künstler im dezenten Ausstellungsdesign von Torsten Neeland präsentiert, als Zwischenschritt auf dem Weg zwischen Geheimtip und Star.

Die neue „Galerie der Gegenwart“ hat Christian Jankowski zum Thema seiner Arbeit gemacht: In einer Mischung aus Science Fiction, Sozialkritik und pädagogischer Animation zeigt er den Kunsttalk von heute, dargestellt von Kindern. Im Jahre 2097 nostalgieren mit dem Virus der permanenten Verjüngung geschlagene Menschlein die rekonstruierte Eröffnungsausstellung von heute. Bei der Vernissage heftig umlagert und freundlich belacht: die Vision, alles ginge immer so weiter, hat auch etwas Melancholisches. Weniger aufwendig streut Jochen Lempert Sand in die Mechanismen der Wahrnehmung. Seine Fotopräsentation setzt Formen aus Biologie, Kunst und Gesellschaft als völlig gleichwertig. In der Gleichgültigkeit solch' paralleler Evolutionsgeschichte, quillt zwischen diesem zeitlosen Bildarchiv und dem Betrachter eine unüberwindliche Fremdheit auf: irgendwie melancholisch.

Susanne Weirich arbeitet mit den verborgenen Möglichkeiten des Alltags. Wie in einem Kaufhaus präsentiert sie ihre Warenblister, eingeschweißte Objekt-Sets zur Konstruktion möglicher sozialer Situationen. In einer größeren Installation zeigt sie ihren Umgang mit der in Los Angeles entdeckten Garage, in der ein Trucker auf der Landstraße plattgefahrene Tiere gesammelt hat. Ziemlich melancholisch.

Ob Daniel Richter mit seiner gesampleten Malerei, Inge Pries mit ihren manieristisch bildgewordenen Befindlichkeiten, Stefan Exler mit seinen scheinnaiven Zeichnungen zur Kindheit oder Hans-Christian Dany mit Zeichnungen und der Uniform eines Kulturführers. Alle Künstler stehen mit ihren Positionen vor dem Hintergrund einer durchmediatisierten Welt. Ganz direkt verarbeitet die Gruppe „Re-products“ die gehäufte, grauenvolle Banalität der Medien in ihren Videos.

Die ganze Längswand vor den Fenstern, jene bauliche Unentschiedenheit, wird vorzüglich von Todd D. Seversons eigener Bildergalerie eingenommen: 927 schnell gemalte, kleine Porträts aus der deutschen Geschichte blicken die Besucher an. Ihr massenhafter und letztlich vergeblicher Apell, auf ewig erinnert zu werden, hat – was Melancholisches.

Aus einem zentralen Säulenkörper läßt Barbara Breyer viele Hände je einen schwarzen Sack herausreichen. Es ist hinter der nicht gerade neuen Form eine gelehrte Anspielung auf das schwarz-gallige, saturnisch-kreative Temperament der Melancholie. Im Foyer gibt es noch eine Zugabe: den Start einer einjährigen Ausstellungsserie, in der der Hamburger Metakünstler und documenta- Teilnehmer Wolfgang Strack bekannte Künstlerpositionen ironisiert. Zu Beginn geht es um Sigmar Polke. Und zu sehen ist unter anderem das herzergreifend traurige Schauspiel des batteriegetrieben Elefanten, der vergeblich an seinem gezeichneten Ebenbild rüsselt: Wirklich melancholisch.

Hajo Schiff

Katalog, Dölling und Galitz, 36 Mark; Kunsthaus, Klosterwall 15, bis 9. März