Puffmutti oder Zuhälterin?

■ Bremerin steht wegen „Menschenhandel“ mit Frauen aus der Tschechei vor Gericht

Das „Urteil“ der Anklageschrift liest sich eindeutig: Wegen schweren Menschenhandels, Zuhälterei und Förderung der Prostitution müssen sich eine 45jährige Frau und ein 56jähriger Mann vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Für ihre Bar im Bremer Umland soll die Frau im April 1993 mit Hilfe ihres mitangeklagten Bekannten drei Frauen aus der Ukraine, darunter ein 17jähriges Mädchen, nach Deutschland geschleust und unter Drohung mit der russischen Mafia zur Prostitution gezwungen haben. Im Juni 1993 bestellte sie laut Anklageschrift für 3.000 Mark noch einmal drei Frauen aus der Ukraine. Die neue Crew war in der exklusiven Bar mit Whirpool und römischem Spiegelbad allerdings nur vier Tage im Einsatz: Bei einer Razzia griff die Polizei die Prostituierten auf. Bereitwillig packten die Frauen aus: Mit dem Versprechen, eine gut bezahlte Arbeit in einem Krankenhaus zu bekommen, seien sie nach Deutschland gelockt und zur Prostitution gezwungen worden. Die Angeklagte habe die Preise für Sex und die Arbeitszeiten bestimmt. Von den Gästen kassierte sie 300 Mark pro Geschlechtsverkehr, den Frauen drückte sie angeblich nur 20 Mark pro Tag in die Hand.

„Menschenhandel von internationalem Ausmaß“ vermutet der Staatsanwalt. Die Angeklagte spielt nervös mit ihren Fingern an dem goldenen Kreuz, das an einer Halskette über den hochgeschlossenen weißen Kragen ihrer Bluse hängt. Immer wieder drückt sie sich ein weißes Papiertaschentuch auf die Augen und schluckt die Tränen herunter. Über ihren Anwalt läßt sie erklären, daß sie sich für ein Opfer der behördlichen Doppelmoral hält. Bis 1991 habe sie ihr Bordell wie ein „Musterbetrieb“ geführt, betont ihr Anwalt und zeichnet das Bild einer lieben Puffmutti: Die Prostituierten hätten 45 Prozent des Umsatzes kassiert. Keine der Frauen sei je gezwungen worden, sich zu verkaufen. Die Bar sei von den Zimmern, dem Whirpool und dem römischen Spiegelbad durch eine schwere Eisentür getrennt, die stets verschlossen gewesen sei. Eine Regelung, die das Gesetz vorsehe. Die Zimmer müßten baulich von der Bar getrennt sein. Seine Mandantin habe all diese Voraussetzungen erfüllt und den Betrieb so „legal wie möglich“ betrieben, obgleich der Gesetzgeber das den ClubbetreiberInnen schwer mache, resümierte der Anwalt und zitierte Gerichtsbeschlüsse: Obwohl Prostituierte in einem Club viel sicherer seien als auf dem Straßenstrich, würden die Behörden die Bordellbetreiber in die Illegalität treiben, kritisierte beispielsweise das Landgericht Münster 1992.

Bis 1991 sei alles gut gegangen. Nach dem Fall der Mauer sei die Angeklagte jedoch immer mehr von Zuhältern aus Osteuropa bedrängt worden. Ein Grieche habe die Puffmutter schließlich unter Druck gesetzt, die Frauen aus der Ukraine zu beschäftigen. Er habe sie auch dazu gezwungen, ihm die Abrechnung mit den Prostituierten zu überlassen – nur deshalb hätten die Frauen nur noch 20 Mark bekommen. Die Angeklagte habe schließlich keine Chance mehr gesehen, sich „als alleinstehende Frau in dieser Branche durchzusetzen“. Nach der Razzia sei ihr die Konzession entzogen worden. Sie mußte die Bar aufgeben.

Auch der Mitangeklagte hält sich für ein Opfer falscher Ermittlungen: Ein Geschäftsfreund habe ihn angesprochen, ob er den Frauen einen Job in der Bar vermitteln könne. Aus lauter „Gutmütigkeit“ habe er die Frauen an der deutsch-tschechischen Grenze abgeholt. Er habe ohnehin in der Nähe zu tun gehabt. Seine Frau, die in der Bar der Angeklagten beschäftigt war, habe den Mädchen „klipp und klar“ gesagt, was sie zu tun hätten. Von Täuschung könne keine Rede sein, beteuerte der Mitangeklagte. „Die Olga hat sogar gesagt, Sex sei ihr Hobby.“ Der Prozeß wird fortgesetzt. kes