Vier Farben Dramatik

■ Ein Quartett kämpft gegen den Rest der Welt: Wie sich die kulturpoli-tischen SprecherInnen der vier Bürgerschaftsfraktionen die Zukunft vorstellen

Die im Vergleich zu anderen Städten unterdurchschnittlich ausgestattete Bremer Kulturszene wird in diesem Jahr eine weitere Mittelkürzung hinnehmen müssen. Dies bestätigten die beiden kulturpolitischen Sprecherinnen der Koalitionsfraktionen, Carmen Emigholz (SPD) und Elisabeth Motschmann (CDU), gestern vor der Landespressekonferenz. Während Emigholz keine Angaben darüber machte, wie die Sparquote erfüllt werden solle, sprach sich Motschmann für die Schließung nicht näher benannter Einrichtungen aus, um andere von Sparmaßnahmen zu verschonen: „Schon jetzt haben viele Institutionen zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben – das ist nicht mehr erträglich.“

In ihrer Koalitionsvereinbarung hatte sich die von CDU und SPD geführte Landesregierung vorgenommen, die Kultur in der Hansestadt zu stärken. Eineinhalb Jahre nach ihrem Amtsantritt wurde aus der Absicht die Realität, daß der Kulturhaushalt weniger geschwächt wurde als der Etat anderer Ressorts: Von einst 115 Millionen blieben im vergangenen Jahr 109 Millionen Mark übrig. Vorbehaltlich noch nicht einzuschätzender Haushaltsrisiken müssen sich Theater, Museen, Bibliotheken und andere Einrichtungen in diesem Jahr mit einem um weitere 1,25 Millionen Mark gekürzten Etat begnügen. Daß die ursprünglich vorgesehene Streichung von mehr als sieben Millionen Mark zum Teil durch das Hinzuziehen der Spielbank-Stiftung „Wohnliche Stadt“ nach „hartem Ringen hinter den Kulissen“ zunächst abgewendet wurde, bewertete Motschmann als Erfolg.

Mit der lakonischen Frage „Kulturpolitik = Sparpolitik: Wieviel Mittelkürzungen kann Bremens Kultur verkraften?“ hatten die Organisatoren zur Konferenz geladen, und die KulturpolitikerInnen der vier in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – Karin Krusche (Bündnisgrüne) und Klaus Bernbacher (AfB) – machten kaum einen Hehl daraus, daß sie auf den ersten Blick einer Meinung sind, die da lautet: keine Kürzungen. Denn der Koalitionsvereinbarung zum Trotz spielen die vier zuletzt in einem gemeinsam veröffentlichten Appell (vgl. taz vom 20.1.1997) die Rolle eines Quartetts gegen den Rest der Welt: „Harte Verhandlungen werden da geführt“, weil sich „jedes Ressort mit Zehen und Klauen gegen Kürzungen wehrt“, wissen Motschmann und Emigholz zu berichten. Und das Duo von der Opposition erkennt das Treiben der Kolleginnen an.

Auf den zweiten Blick indes bekennt sich Motschmann zur Rolle der Vollstreckerin, derweil sich Emigholz anhört, als vertrete sie keine Regierungspartei: „Die Lage im kulturellen Sektor ist dramatisch“, sagt sie. Oder: „Was nützen uns sanierte Häuser wie die Glocke, die Kunsthalle oder Focke-Museum, wenn in den Räumen nichts mehr passiert“, um zugleich die Pläne für ein neues „Mini-Museum im Schnoor“ des CDU-Wirtschaftssenators Hartmut Perschau zu kritisieren. Und um zu fordern: „Die richtige Haltung wäre: Wir fördern antizyklisch“ vulgo stocken den Etat auf, weil nur noch die Kultur als Werbeträger und Standortfaktor republikweit für positive Nachrichten aus Bremen sorge.

Kaum ein Unterschied in den Stellungnahmen der Kollegen von der Opposition: Sibyllinisch bezeichnet Klaus Bernbacher (AfB) den Erhalt der Status quo als mittelfristiges Ziel, um nur wenige Augenblicke später „100 Millionen“ oder einen „Marshallplan für die Kultur“ zu fordern. Zur Bedeutung der kulturellen Einrichtungen weiß Karin Krusche (Bündnisgrüne) anzumerken: „Es muß sich lohnen, in der Stadt zu leben, sonst brauchen wir die Debatte um Bremens Selbständigkeit nicht mehr zu führen.“ Sie fordert von der Koalition eine Richtungsentscheidung für „eine generelle Wende in der Kulturpolitik“. Doch durch große Entscheidungsfreude ist der amtierende Senat noch nicht aufgefallen. ck