Die Stadt hielt den Atem an

■ Vor zehn Jahren wurde zum ersten und einzigen Mal Smogalarm ausgelöst. Inzwischen ist die Berliner Luft viel sauberer. Größtes Problem ist jetzt der Auspuffqualm der Autos

Die beste Ausrede war die Ahnungslosigkeit. Mit der Begründung „Kein Radio gehört“ oder „Ich interessiere mich nicht für Politik“ drückten sich vom 1. bis 3. Februar 1987 Hunderte Autofahrer vor einem Bußgeld von 40 Mark. Denn eigentlich galt vor zehn Jahren zum ersten und einzigen Mal wegen der dicken Berliner Luft ein Fahrverbot für Autos ohne Katalysator: Smogstufe 1.

Nach der Einführung der Smogverordnung 1977 machte damit der damalige FDP-Umweltsenator Jürgen Starnick Ernst: Als der Grenzwert für Schwefeldioxid und Schwebestaub überschritten wurde, mußten an dem sonnigen Sonntag 8.000 Autofahrer nach Polizeikontrollen ihren Wagen stehenlassen. Heizungen in öffentlichen Gebäuden und Privatwohnungen wurden auf 18 Grad gedrosselt, Menschen mit Atemproblemen machten die Fenster zu, eine Skiveranstaltung am Teufelsberg und ein Volkslauf wurden abgesagt. Berlin hielt den Atem an.

Smog war in den achtziger Jahren eines der größten Umweltprobleme der Stadt. Zwischen 1980 und 1991 wurde 17mal die Vorwarnstufe ausgelöst. Die Mischung aus Kohlebrand in den Wohnungen, giftigen Industrieschwaden aus Westen und Osten und dem Qualm aus den Auspufftöpfen hielt Berlin in Atem. Die Smogverordnung war eine Notmaßnahme gegen die Atemnot – wirkliche Besserung brachte allerdings erst der Mauerfall. Denn vor allem durch die Umstellung der Heizkraftwerke in Ostberlin und im Umland von Braunkohle auf Gas und Öl und durch den Zusammenbruch der Dreckschleudern in der DDR-Industrie wurden die Schadstoffemissionen, die zum Smog führten, radikal gesenkt: Der Ausstoß von Schwefeldioxid sank laut Umweltbericht von 1995 um mehr als 75 Prozent, Kohlenmonoxid um 60 Prozent, Staub um 50 Prozent, Stickoxide um 25 Prozent.

Die Verursacherstoffe für den Wintersmog wurden so drastisch reduziert, daß der Senat im August 1995 die Smogverordnung abschaffte. Nur wenige Tage vorher war allerdings eine andere, inzwischen wichtigere Schutznorm vor dicker Luft in Kraft getreten: die Sommersmogverordnung. Bei 240 mg Ozon pro Kubikmeter Luft sollen nun flächendeckende Fahrverbote greifen – ein Grenzwert, den Umweltschützer als zu lasch kritisieren, da bereits weit früher Schädigungen auftreten könnten.

Die Luft ist sauberer geworden, den meisten Dreck verursachen inzwischen die Autos. Der Rückgang der Belastung durch Kat- Autos wird durch immer mehr Benzinkutschen ausgeglichen: „Ein Auto ohne Kat macht soviel Dreck wie neun Autos mit Kat“, meint Klaus Kutzner, Luftexperte bei der Umweltverwaltung. Immerhin noch ein Drittel der Berliner Autos haben keinen Kat – und dürfen deshalb ab Juli 1998 nicht mehr in die Innenstadt fahren.

Trotz Katalysatoren, besserer Luft und Sommersmogverordnung bleibt das Problem Krebsrisiko: Benzol und Dieselruß aus den Auspufftöpfen verursachen ein erhöhtes Risiko von Leukämie und Lungenkrebs. Um die genauen Daten streiten sich die Experten. Nur eines ist sicher: „Insgesamt ist das Risiko in Ballungsräumen um den Faktor 4 bis 5 höher als in ländlichen verkehrsarmen Gebieten“, heißt es in einem Schreiben der Gesundheitsverwaltung. Bernhard Pötter