Die Provinz austrocknen, das Zentrum fördern

■ Weniger Fördermittel nach Schwedt, größere Summen in den Großraum Berlin: Wirtschaftsinstitut empfiehlt Wechsel der brandenburgischen Entwicklungspolitik

Zuviel Geld fließe in die brandenburgische Provinz, mahnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die ForscherInnen machen sich in einem Gutachten für das Potsdamer Landwirtschaftsministerium für den Richtungswechsel der Landesentwicklungspolitik stark. Die Landesregierung solle die knappen Mittel für Wirtschaftsförderung stärker auf den Großraum Berlin sowie die Städte Brandenburg und Frankfurt konzentrieren.

Erst an zweiter Stelle sollten Entwicklungszentren und industrielle Inseln in den übrigen Regionen stehen, empfiehlt das DIW. Das Institut fügt hinzu: „Insofern müßte das Verfassungsziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten, als eine längerfristige Aufgabe interpretiert werden.“ Setzt sich diese Position durch, würden Orte wie Cottbus, Schwedt und Eisenhüttenstadt bald auf dem Trockenen sitzen. Bisher gilt das Konzept der „dezentralen Konzentration“ als Leitbild der Landespolitik.

Der brandenburgische Wirtschaftsminister Burkhard Dreher (SPD) meinte, er werde keinesfalls der Empfehlung folgen, die Wirtschaftsförderung kurz- und mittelfristig auf den berlinnahen Raum zu konzentrieren. Um Berlin habe sich jetzt noch nicht einmal ein echter „Speckgürtel“ gebildet, wenn dort die Arbeitslosenquoten bis zu 16 Prozent erreichten. Er werde am Leitbild der dezentralen Konzentration festhalten, sagte Dreher. Dieses sei jedoch nur eine Richtschnur, kein Korsett. Auch den Menschen in den äußeren Regionen Brandenburgs müsse mehr Lebensqualität ermöglicht werden. Derzeit erhalten laut Dreher die entlegeneren Gebiete etwa zwei Drittel der Mittel und der Berliner Rand ein Drittel, was auch ungefähr der Bevölkerungsverteilung entspräche.

Das DIW argumentiert hingegen, daß die Städte in der Mitte Brandenburgs mit Abstand die wichtigste Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes spielten. Von herausragender Bedeutung dürften die Bereiche Bauen, Verkehrs-/Bahntechnik und Umwelttechnik sein. Man müsse auch nach Möglichkeiten zur Ansiedlung etablierter Anbieter suchen und eine Spezialisierung von Gewerbeparks überlegen.

Die gegenwärtige Regionalstruktur weiche vom Leitbild der dezentralen Konzentration erheblich ab, schreibt das DIW. Außer dem Ballungsraum Berlin mit Potsdam seien die übrigen Teile Brandenburgs schwach entwickelt und landwirtschaftlich geprägt. Einzelne Industriestandorte und -regionen außerhalb des Berliner Raumes seien großräumig verteilt und wiesen zum Teil ausgeprägte Monostrukturen auf. Bei den verstreuten altindustriellen Kernen müsse neben der Modernisierung der Produktion eine Umstrukturierung hin zu qualifizierten Unternehmensfunktionen betrieben werden. Dabei spiele eine bessere wohnortbezogene Infrastruktur eine wichtige Rolle. Hannes Koch