Diepgen ohne Plan und Gesetz

■ Diepgen will vermeiden, was das Gesetz vorschreibt: Den Investitionsplan. Opposition sieht "Finanzchaos". Senat war Ende 1996 quasi zahlungsunfähig

Der Regierende Bürgermeister und die Investitionsplanung – das ist nach Ansicht der Bündnisgrünen ein Fall fürs Verfassungsgericht. Während Eberhard Diepgen (CDU) allzugern auf die fünfjährige Vorausschau auf die Investitionen verzichten möchte, schreibt das Haushaltsgrundsätzegesetz einen Investitionsplan vor. Die bündnisgrüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer wirft dem Senat deshalb verfassungswidrige Finanzpolitik vor. Der Regierende solle sich als Jurist „in die Gesetzesmaterie begeben und zu einer geordneten Haushaltsführung zurückkehren“, sagte Schreyer der taz. Der Rechnungshof teilt die Auffassung der Haushälterin.

„Diepgen und Fugmann-Heesing sollten ihren Streit um die Investitionsplanung endlich beenden“, kommentierte Michaele Schreyer das wochenlange Investitions-Hickhack im Senat. Wie berichtet, will Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) mit einem verbindlichen Investitionsplan endlich die immensen Ausgaben für Hoch- und Tiefbau durchschaubar machen. Allein Ende 1994 begann der Senat Baumaßnahmen für über 15 Milliarden Mark. Der Regierende verweigert sich aber einem Investitionsplan. Durch Entscheidungen im Einzelfall seien Projekte besser durchzubekommen. Selbst als sich Diepgen mit der Finanzsenatorin, Innensenator Schönbohm und der Vizebürgermeisterin Bergmann letzte Woche auf einen Investitionsplan geeinigt hatte, rückte er tags darauf wieder davon ab.

Die Gesetzeslage ist freilich eine ganz andere. Das Haushaltsgrundsätzegesetz bestimmt, daß „die vorgesehenen Investitionsschwerpunkte zu erläutern und zu begründen“ sind. In Verbindung mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bedeutet das: Dem Abgeordnetenhaus ist mit dem Haushalt 97 auch eine mittelfristige Finanzplanung einschließlich eines Investitionsplans vorzulegen. Weil dieser dem Parlament nach wie vor nicht vorliegt, sieht Schreyer sich und ihre KollegInnen als Etatwächter auf verlorenem Posten. Prioritätensetzung sei dem Haushaltsgesetzgeber gar nicht möglich, beklagt Schreyer, weil der Senat bis jetzt die Gesamtschau der künftigen Ausgaben verweigere. Das Stabilitätsgesetz legt dies aber eindeutig fest: Investitionsprogramme seien „nach Dringlichkeit“ zu erfassen, heißt es dort. Schreyers Glaube in die Etattreue des Senats ist indes weg.

Der Sprecher der PDS-Fraktion, Harald Wolf, hat gestern ins gleiche Horn gestoßen. Der Senat habe in den sogenannten Entwicklungsgebieten Schattenhaushalte in Milliardenhöhe angelegt, sagte Wolf. Weil der Senat aber kein Geld mehr habe, um die – so Diepgen – „überschaubaren Nebenhaushalte“ auszugleichen, würden eine ganze Reihe von begonnenen Vorhaben als Bauruinen enden. Erstes Beispiel sei das Museum für Verkehr und Technik, „das nun auf windigen Wegen finanziert wird“. Wolf bezog das auf die sogenannte Sonderfinanzierung, bei der private Bauherren dem Land ein Gebäude erstellen – um es sich später bezahlen zu lassen.

Wohin das Finanzierungschaos führt, berichtet die Finanzsenatorin morgen dem Hauptausschuß. Ein der taz vorliegendes Papier der Senatorin zeigt, daß das Land im Dezember 1996 an einem einzigen Tag über fünf Milliarden Mark an Dispokrediten benötigte, um seinen kurzfristigen Verpflichtungen nachzukommen. 1997 könne dies öfter vorkommen, heißt es. Christian Füller