Kempes in Albanien auf gepackten Koffern

■ Nach der Verhaftung des Klubpräsidenten ist die Zukunft des SK Lushnja ungewiß

Am letzten Wochenende sollte der albanische Erstliga-Aufsteiger SK Lushnja eigentlich mit einem Heimspiel gegen Apolonia Fier die Rückrunde eröffnen. Doch statt verschwitzter Fußballer saß nur der albanische Außenminister Tritan Shehu in der Umkleidekabine des Roza Haxhiu-Stadions. Dem tropfte der Angstschweiß, denn draußen wartete eine wütende Menge auf ihn. Spät in der Nacht, einen Stromausfall nutzend, verschwand Shehu in Richtung Hauptstadt Tirana.

Dort saß derweil ein weltbekannter Fußballer und dachte über seine Zukunft nach: Mario Kempes (42), argentinischer WM-Held von 1978 und seit Anfang Januar Trainer des SK Lushnja. Die Verpflichtung von Kempes war eine echte Sensation gewesen. Nie zuvor hatte ein derart berühmter Fußballer in dem kleinen Balkanland gearbeitet. „Ich war arbeitslos und wartete auf Angebote, als mir ein Vermittler von Lushnja erzählte“, sagte Kempes, der zuletzt einen Trainerjob in Indonesien hatte. Er hörte sich die Vorstellungen des Klubpräsidenten Pellumb Xhefarri an und unterschrieb.

Wie es aussieht, wird Kempes sich bald um einen neuen Job bemühen müssen. Seit dem Wochenende sitzt sein Arbeitgeber nämlich im Gefängnis. Pellumb Xhefarri ist einer jener Finanzhaie, die Albaniens Sparer ruiniert und zu wütenden Protesten veranlaßt haben. Umgerechnet 3.000 Mark waren Kempes pro Monat versprochen worden, eine Summe, für die die meisten Albaner zwei Jahre lang arbeiten müssen. Darüber hinaus wollte Xhefarri dem Argentinier weitere 50.000 Mark zahlen, wenn er den Aufsteiger aus Lushnja zu Meistertitel oder Pokalsieg führen würde. Das Geld stammte aus den Einlagen albanischer Kleinsparer, die mit Zinsversprechungen von bis zu 100 Prozent pro Monat gelockt worden waren.

Xhefarri hatte Großes vor mit dem Team aus der knapp 30.000 Einwohner zählenden Stadt südlich Tiranas. „In fünf Jahren wollen wir zu den acht besten Klubs Europas zählen“, verriet er allen Ernstes und träumte von namhaften Neuzugängen: „Okocha hat mir versprochen zu kommen, und ich denke außerdem an Edmundo, der in Brasilien Probleme hat.“

Daß Xhefarri (30) im ärmsten Land Europas lebt, davon merkt er anscheinend nicht viel. Im Gegenteil: „Ich verdiene mehr als 3.000 Dollar pro Stunde. Meine Villa hat elf Zimmer und vier Küchen“, prahlt der ehrgeizige Neureiche, der vor knapp fünf Jahren mit seinem Vater Rrapush den Geldhandel begann. „Fondacioni Xhefarri“ nennt sich ihr Finanzhaus, das wenige reich machte und ein armes Volk noch ärmer – und wütender.

Mario Kempes („ich wußte von den Vorgängen nichts“) denkt jedenfalls schon weiter. „Meine Koffer sind immer gepackt“, erklärte er. Wie es aussieht, wird er das Land bald verlassen. Der SK Lushnja muß seinen Angriff auf Juventus Turin und Real Madrid wohl auf unbestimmte Zeit verschieben. Hardy Grüne