Spieglein an der Wand

■ Bin ich schön? In „Liebe hat zwei Gesichter“ hilft Barbra Streisand der Natur mit einer Pudeldauerwelle auf die Sprünge

Der Kinovorhang hebt sich, und was erblickt das Publikum? Kreideschlamm! Es handelt sich um eine dieser Gesichtsmasken, die Barbra Streisand alias Rose Morgan zu porentiefer Frische verhelfen sollen. Der erste Eindruck ist doch immer der entscheidende. Meine Vision: Männer wünschen an dieser Stelle das Kino zu verlassen, Frauen auch. Doch halt, da ertönt ein rettendes Nörgeln aus dem Hintergrund. „Rooohoooss???“ Jawohl, Rose Morgan lebt bei ihrer Mutter (Lauren Bacall), was ja nichts anderes bedeutet, als daß Rose praktisch schon verheiratet ist. Sie weiß es nur nicht. „Dir ist nicht aufgefallen, daß ich eine neue Frisur habe“, barmt Mutter Morgan, ganz Perlen und Chiffon.

Rose hält sich für ein spätes Mädchen. Gegen ihre Minderwertigkeitskomplexe helfen weder Kaolin noch Fangoschlamm – sie drückt sich vor Rendezvous, und wenn sie doch mal ausgeht, ist garantiert das Fenster ihres Taxis kaputt und ihre Frisur im Eimer. Wie heißt es doch in einer amerikanischen Visa-Werbung: „Ewig Brautjungfer, niemals Braut“. Zur – wievielten doch gleich? – Hochzeit ihrer schönen Schwester Claire erscheint Rose im altrosa Kleinmädchen-Rüschenkleid. Rose in Rosa – sie sieht aus wie eine Seniorenbarbie. Die Blicke von Mutter Morgan sind denn auch vernichtend.

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bewundere das „Well-grooming“, Eleganz und Stil und Frauen, die in sich selbst zu Hause sind. Carrie Donovan, die sechzigjährige oberste Stilrichterin des US-Magazins Allure, brachte es auf den Punkt: „Wir alle müssen uns anziehen, und es ist unsere verdammte Bürgerpflicht, den bestmöglichen Anblick zu bieten. Intelligente Frauen treffen auch hier intelligente Entscheidungen.“ Weil ich immer für intelligente Entscheidungen bin, befürworte ich eine gewisse, die Erscheinung betreffende Eitelkeit entschieden. Aber in dieser Komödie geht Streisand zu weit.

Es ist ein Kreuz mit ihr. Hat der kleinen Barbra denn nie jemand gesagt, daß sie ein hübsches Kind ist? Film um Film und wie um sich zu rächen, bettelt der Megastar um Komplimente. „Liebe hat zwei Gesichter“, Regie und Hauptrolle Barbra Streisand, ist wieder einmal die Geschichte vom häßlichen Entlein, das sich in einen strahlenden Schwan zu verwandeln meint.

So geselle sich denn zum reinen Geist die physische DIN-Optimierung. Die sackleinene Literaturprofessorin Rose macht sich auf dem Weg zu blondierter Dauerwelle und schwarzem Stretchkleid. Der klügste Satz der Komödie soll Ihnen nicht vorenthalten bleiben: „Jetzt bist du wie wir alle – du hast dich eingereiht“, sagt Claire zu ihrer endlich „schönen“ Schwester. Ich habe die amerikanische Version von „attraktiv“ – Pudeldauerwelle, Stretchklamotten, Alte- Tanten-Make-up – nie ganz verstanden, aber so was von geschmacklos!!

Natürlich liefert der Film ein Motiv für das wunderbare Make- over von Rose. Sie lernt nämlich einen einsamen Mathematikprofessor (Jeff Bridges) kennen. „Stell dir vor, Bäume pflanzen sich fort, ohne sich zu berühren!“ schwärmt Greg Larkin. Doch statt den Mann sofort rauszuwerfen, heiratet sie ihn. Unter einer Bedingung: kein Sex. Um dann doch begehrlich zu werden.

Wirklich ärgerlich ist bei aller Komik zwischen Streisand und Bacall, daß Mama wieder mal an allem schuld sein soll. Eine fade Idee, die durch die – allerdings genial – spitzen Dialoge um das Vorher-nachher-Theater verhüllt wird. Mama Morgan, eine sehr aufs Äußere bedachte, elegante Dame, rächt sich für die Demütigungen, die ihr das Alter zufügt, an ihrer Tochter: „Warum trägst du kein Make-up, Rose?“ „Ich trage Make-up!!!“ Einmal leuchtet Mama Morgans immer noch schönes Gesicht so weich auf wie ein Tannenbaum in Festbeleuchtung – als sie sich an ihre Jugend und Schönheit erinnert. Großartige Lauren Bacall.

Übrigens: Der wirre Dutt stand Rose besser.

Anke Westphal

„Liebe hat zwei Gesichter“. Regie: Barbra Streisand. Mit Barbra Streisand, Jeff Bridges, Lauren Bacall, Pierce Brosnan, Mimi Rogers. USA 1996, 114 Min.