■ Mit der Rentenreform untergräbt die CDU ihr Fundament: Was geschieht, wenn die Rente sinkt
Die Rente ist nicht mehr sicher. Als einer der ersten hat Heiner Geißler die tektonische Wirkung der Reformdiskussion erspürt. Er sieht zu Recht den christdemokratischen Regierungserhalt in Gefahr, sollte den Rentnern keine Stabilität ihrer Einkünfte gesichert werden können. Falls er recht behält, ist die Perspektive für Rot-Grün gar nicht so schlecht.
Denn alles, was die Regierungskoalition bislang an Reformvorschlägen beraten hat und in den nächsten Wochen noch beraten wird – es ist nicht dazu angetan, Sicherheit zu schaffen. Denn es basiert auf einer zu optimistischen Prognose für die Wirtschaft – und damit für die Arbeitsmarktentwicklung in den kommenden Dekaden. Die neuen Zahlen von weit über vier Millionen Arbeitslosen weisen da in eine unangenehmere, aber realistischere Richtung. Die Regierung läßt zudem aus taktischen Erwägungen die Frage der Gegenfinanzierung der Reformen offen.
So kommt es, daß die Mehrwertsteuer, obwohl sie der Bund nur zur Hälfte verbuchen kann und sie bereits zweiprozentweise zur Deckung der Einkommensteuerreform verkalkuliert wurde, nun dazu herhalten soll, auch noch die Rentenlöcher zu stopfen. Und daß die nicht gerade kleiner werden, wenn, wie jetzt von der FDP zugestanden, auf eine Besteuerung der Renten verzichtet wird, läßt sich an zwei Fingern abzählen.
Mit dem dritten und vierten Finger kann man errechnen, daß auf diese Weise kaum Mittel in den Kapitaldeckungsfonds fließen werden, von dem die FDP sich den Ausstieg aus dem Umlageverfahren erhofft. Und am kleinen Finger kann man ablesen, daß insgesamt betrachtet damit selbst den Wünschen der jetzigen Rentnergeneration immer weniger Genüge getan werden kann. So wird schon für sie und nicht erst für die Jungen der Abstieg unausweichlich. Denn da wesentliche Systemfehler fortgeschleppt werden, wird im Endeffekt das Rentenniveau schneller sinken, als sich die Kohl-Nachfolge regelt. Und da das eine nun mal mit dem anderen zu tun hat, wird sich bei manch Einsichtigem in der Koalition aus den fünf Fingern zwar eine Faust ballen – doch nur in der Tasche. Wenn schon nicht mehr die Renten, so soll doch wenigstens der Kanzler sicher sein. Das wird wohl 98 die Botschaft an die Rentner sein. Fragt sich, ob die es dann noch glauben. Dieter Rulff
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