Die Rente führt die Koalition langsam zusammen

■ FDP-Chef Gerhardt rückt von Besteuerung ab, will aber Teilfinanzierung durch Kapitalstock. Kohl hält sich Optionen offen. SPD nennt Bedingungen für Gespräche

Berlin (taz) – Das Bemühen, die verhärteten Fronten aufzuweichen, war unverkennbar. Der CDU-Bundesvorstand werde keine endgültige Entscheidung zur Rentenreform treffen, stellte Bundeskanzler Helmut Kohl gestern schon vor Beginn der Sitzung klar. Die von Arbeitsminister Norbert Blüm vorgelegten Papiere der Expertenkommisson und der CDU- Rentenkommission seien lediglich eine „gute Arbeitsgrundlage“. Kaum überraschend kam denn auch Kohls Ankündigung, nach Gesprächen mit der CSU und der FDP auch mit der SPD über die Rentenreform zu verhandeln.

Von den Sozialdemokraten kamen gestern verhaltene Signale. Fraktionschef Rudolf Scharping nannte fünf Bedingungen für Gespräche: Die Befreiung der Sozialversicherung von allen versicherungsfremden Leistungen, der Verzicht auf eine stärkere Rentenbesteuerung und auf eine Absenkung des Rentenniveaus auf 64 Prozent sowie die Einführung einer sozialen Grundsicherung und flexiblere Übergänge bei der Altersversorgung.

In der Koalition scheinen sich die Wogen wieder zu glätten. FDP- Parteichef Wolfgang Gerhardt rückte in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit von einer höheren Besteuerung der Renten ab. Seine Weltanschauung hänge „nicht daran“, erklärte er lapidar.

Ohnehin hatte die CDU-Rentenkommission am Montag der FDP einen Ausweg geebnet. Ihre Option, einen Generationenfonds zu bilden, stößt in Teilen der FDP auf Zustimmung. Zwar habe die Partei noch kein abschließendes Votum gefällt, die Idee eines Kapitalfonds halte er aber für eine „interessante Variante“, meinte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Uwe Lühr gegenüber der taz.

Ein solcher Kapitalstock soll aus Beitragszahlungen der gesetzlichen Rentenkasse angespart und verzinst werden. Damit könnten dann die Renten in den demographisch kritischen Jahren 2025–30 mitfinanziert und der Beitragssatz auf 20 Prozent begrenzt werden. Dieses Modell des CDU-Abgeordneten Andreas Storm war in der CDU-Rentenkommission allerdings modifiziert worden: Erst bei einer Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt könnten die Beiträge auf 20 Prozent begrenzt und die dann zur Verfügung stehende Überschüsse in den Generationenfonds eingezahlt werden.

Nach dem Blümschen Modell soll das Rentenniveau für einen Arbeitnehmer, der 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, von derzeit 70 auf 64 Prozent im Jahre 2030 sinken, die Beiträge selbst aber von derzeit 20,3 auf 22,9 Prozent steigen.

Dagegen wandte sich gestern erneut eine Gruppe von fünf CDU-Mitgliedern um den sozialpolitischen Sprecher der Fraktion, Julius Louven. Sie plädierten dafür, das Rentenniveau schon im Jahre 2010 auf 64 Prozent abzuschmelzen und den Beitragssatz dauerhaft auf 20 Prozent zu begrenzen. Ebenso wie die Familienkasse, mit der aus Steuermitteln die Erziehungszeiten abgegolten werden sollen, lehnten sie auch den Kapitalfonds ab. Das Vermögen, so ihre Befürchtung, könnte zum Stopfen anderer Haushaltslöcher verwendet werden. Quer zur CDU-Mehrheit lag gestern Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf. Notwendig sei künftig eine steuerfinanzierte Grundrente, auf der dann verstärkte private Vorsorge aufbaue. Severin Weiland