Nachhilfe für Kinkel

■ Der Fall Sarkuhi zeigt, daß öffentlicher Druck nützt

Ganz still und leise will Bundesaußenminister Klaus Kinkel seinen „kritischen Dialog“ mit der iranischen Staatsführung betreiben – auf leisen Sohlen Einfluß nehmen gegen „aggressiven Fundamentalismus, Staatsterrorismus, Menschenrechtsverletzungen und so weiter“ Medienberichte, offene Briefe und Proteste vor Botschaften stören angeblich die intime Gesprächsatmosphäre.

Doch die Erfolgsbilanz von Kinkels „kritischem Dialog“ ist niederschmetternd: Die Zahl der politischen Gefangenen in der Islamischen Republik hat sich in den letzten Jahren beständig erhöht, die der verschwundenen, gefolterten und hingerichteten Regimekritiker ebenfalls. Faradsch Sarkuhi hätte leicht ein ähnliches Schicksal widerfahren können. Doch bisher wagte es der iranische Geheimdienst nicht, den nun auch im Ausland bekannten Regimekritiker zu ermorden – das gesteht die Führung in Teheran mit der von ihr aufgetischten Geschichte „Auf der Flucht verhaftet“ indirekt ein.

Der Fall Sarkuhi zeigt: Offensive Berichterstattung kann der Diplomatie auf die Sprünge helfen. Denn es ist zu befürchten, daß sich ohne den offenen Brief von Sarkuhis Frau an Kanzler Kohl und den von dem Schriftsteller aus dem Iran geschmuggelten Bericht über sein Schicksal kaum ein maßgebender deutscher Politiker ernsthaft für den Fall interessiert hätte – geschweige denn der Außenminister. Nun beharrt Kinkel gegenüber Teheran auf „vollständiger Aufklärung des Falls“. Man wird sehen.

Die Reaktionen in Teheran sind auffallend nervös. Die Theokraten seien über die Berichterstattung zum Fall Sarkuhi „extrem irritiert“, ist aus diplomatischen Kreisen zu erfahren. Von einer „Verleumdungskampagne westlicher Massenmedien, die klar von zionistischen Kreisen beeinflußt werden“, schreibt die staatliche Presse hilflos. Die taz werde von Geheimdiensten instrumentalisiert, um den Iran zu destabilisieren, fabulieren hochrangige Regierungsvertreter. Die Aufregung läßt hoffen, daß auch in Teheran einige Leute begreifen, daß sie Regimegegner nicht unbemerkt verschwinden lassen können. Nun ist es an Bonns stillen Diplomaten, unnachgiebig auf Sarkuhis Ausreise zu drängen. Regelmäßige Berichterstattung kann sie daran erinnern. Thomas Dreger

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