Breitbein-Rap und Ragga-Geraspel

■ Sextett „Be“ verwirrte im Lagerhaus mit Vielfalt und falscher Haarpracht

Wenn man den Studioaufnahmen des Sextetts „Be“ lauscht, bekommt man leicht einen falschen Eindruck. Die Mischung aus punktgenauem HipHop, verzerrten Metal-Gitarren und laszivem Jazz klingt so glatt und perfekt, daß man meint, sie würden einfach nur von den besten Stücken sampeln. Am Mittwoch konnte man sich im Lagerhaus davon überzeugen, daß dem nicht so ist: Sie spielen die involvierten Instrumente durchaus selbst.

Und das machte sich live erst richtig bezahlt, denn die irritierende Glätte wich, während die Perfektion blieb. Die Hannoveraner, die aus dem „radio ffn“-Nachwuchs-Wettbewerb „Local Heroes“ als Gewinner hervorgingen und kurz darauf schon mit den US-Rap-Veteranen „De La Soul“ tourten, eröffneten ihr Konzert mit einer wuchtigen, schnellen Mischung aus hartem Rock und süffigem HipHop und hatten somit den partywütigen Teil des zahlreich erschienenen Publikums auf ihrer Seite. Der Funke sprang schnell auf den restlichen Saal über. Schon beim zweiten Song gelang es dem Frontmann, das Publikum zu einem Mitsingspiel zu überreden. Der interaktive Aspekt wurde durchgezogen: Es gab ordentliche Instruktionen, auf welchen Beat man zu klatschen habe, wann laut und wann leise gesungen werden sollte. Ein angestrebter Rekord wurde jedoch nicht erreicht: Mit zwei aufeinanderfolgenden Up-Tempo-Nummern wollte man den ganzen Saal zum Springen bringen, was eine Premiere auf der Tour gewesen wäre. Ganz hat es nicht gereicht, aber man kam dem Ziel erstaunlich nahe. Daher auch das Kompliment an die Bremer: „Ihr seid das lauteste Publikum, das wir je hatten!“

Dennoch kamen nicht nur laute, springende Rock-Fans auf ihre Kosten. Eine Trompete sorgte für schöne, melancholische Jazz-Elemente, und virtuoseres Scratching hat man lange nicht mehr live gehört. Vereinzelt gab es zudem so relaxte Reggae-Rhythmen, daß man sich schon gefährlich nah an den Easy Listening-Bereich wagte.

Der englisch rappende Frontmann zeigte ein erstaunlich weites Spektrum zwischen abgehackt ausgestossenem Breitbein-Rap und hüftwiegendem Jungle/Ragga-Geraspel. Neben schneidigem Hard Rock zeigte die Gitarre vor allem, daß in den retroverliebten 90ern wohl mehr Gitarristen durch die Titelmelodie von „Die Straßen von San Francisco“ als durch die Drei-Akkorde-Philosophie des Punk inspiriert wurden. Zum Dank wurde das beliebte TV-Thema prompt gecovert. Das allerdings war kaum wiederzuerkennen, was die Band jedoch nur sympathischer machte. Dieses eine Mal war der gute Wille stärker als das musikalische Geschick.

Für Verwirrung sorgte der Kopfschmuck des Sängers. Zuerst dachte man, er würde mit dem Gitarristen einen Wettbewerb austragen, wer die blödere Mütze trägt. Nach einiger Zeit meinte man herausbekommen zu haben, daß es sich nur um eine blöde Frisur handelte. Wieder falsch gedacht: Es handelte sich um eine blöde Perücke, die auf halber Strecke abgenommen wurde und gepflegtes Stoppelhaar ent- blößte. Andreas Neuenkirchen