Teufel in der Schulaula

■ Ein fünfstimmiges Ständchen für Kahrs: Kultursenatorin läßt sich von der Bremer Soziokultur-Szene nicht ins Bockshorn jagen

Daß die AktivistInnen der Soziokultur-Szene handfeste Profis sind, erlebte am Mittwoch abend Kultursenatorin Bringfriede Kahrs. „Wir sind so furchtbar traurig, so traurig“, trällerte der Chor vom Nachbarschaftsladen KUNZ aus der Neustädter Sedanstraße der Sparsenatorin vor. In einer Waller Schulaula sollte über die Zukunft der Soziokultur diskutiert werden. „Wenn sie nicht zahlen, werden sie teufeln – werden sie teufeln, wenn sie nicht zahlen“, summte der Fünfer-Chor weiter. Doch die Senatorin machte klar: „Nur wer professionell ist, darf bleiben.“

Da war es heraus, das umstrittene Wort „Professionalität“. Passend dazu hatte die Kulturbehörde vor einem Jahr ein „Regionalisierungskonzept“ für Bürgerhäuser, Kulturzentren und Nachbarschaftsheime aus der Taufe gehoben. Kulturelle Aktivitäten in den vier Bremer Regionen sollten gebündelt werden, Wildwuchs beschnitten und somit effektiver gearbeitet werden. „Umschichtung“ und „Verschlankung“, so umschrieb der Konzept-Urheber Bernd Neumann (Kulturreferent in der Behörde) auch an diesem Abend wieder die neue Linie. Und die fast 150 anwesenden SozialpädagogInnen, freien Kultur- und Kunstschaffenden aus der Region Mitte und West lachten. Lachten über das Podium samt Kahrs und ihren anwesenden Zuarbeitern – wollten die doch bloß die wichtige Soziokultur als „politisches Bauernopfer schlachten und alles plattmachen“, sagte einer vom Lagerhaus. Und die Menge klatschte. Nein, so wolle man nicht über Regionalisierung reden – schließlich ginge es der Senatorin nur ums Sparen.

Tasächlich müsse sie genau 550.000 Mark im Jahr 1997 wegen der Bremer Haushaltslöcher in der Soziokultur sparen, erklärte Kahrs. „Und wenn man kein Geld hat, muß man eben gucken: Was findet statt, was ist gut und kann deshalb bleiben.“ Drei Kriterien hätte sie sich dafür ausgedacht: „Professionalität, Akzeptanz und Besonderheit“. Doch solcherlei Qualitätsmaßstäbe wollten sich die MitarbeiterInnen partout nicht überstülpen lassen. Von drohendem „Mainstream“ oder „Disneykultur“ war schnell die Rede. Man wolle sich nicht mit den „Backstreet Boys“ oder der „Kammerphilharmonie“ messen lassen. Die Soziokultur sei ein widerstandsfähiges, unabhängiges Pflänzchen, das neben der Hochkultur in einem Beet gedeihe. Da pflichtete die offizielle Vertreterin von Theaterintendant Klaus Pierwoß mit ernster Stimme bei: „Das pluralistische System muß erhalten bleiben. Wir verstehen künstlerischen Freiraum anders – auch wenn wir alle Subventionsempfänger sind.“

Subventionsempfängern, denen gestern der Neid aus der Seele sprach. Millionen für die Glocke, Millionen für ein neues Museum im Packhaus – vom neuen zweifelhaften Musicon ganz zu schweigen. Dieses Beispiel brachte vor allem den Leiter des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt, Robert Bücking, auf die Palme: „Die paar Piepen, die wir für die Soziokultur brauchen, sind anscheinend da. Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Und dafür müssen wir Frau Kahrs gewinnen“, rief er und sah die Senatorin schon Arm in Arm mit der ebenfalls senatsabtrünnigen Sozialsenatorin Tine Wischer vor den TV-Kameras stehen. „Wir nehmen das nicht hin.“

Aber nichts passierte im Saal. „Investitionen sind eine wichtige Hilfe gegen Arbeitslosigkeit“, sprach Kahrs und verschwand. Da hatte auch das Anfangsständchen nichts genutzt: Die immer noch sparwillige Senatorin verabschiedete sich in Menschengestalt, ihr waren keine Teufels-Hörnchen gewachsen. kat