Kommentar (s.S.22)
: Alles egal

■ Über politische Kultur in Bremen

Ralf Borttscheller ist prima. Bei dem Mann weiß man immer, woran man ist. Und das ist bei der grassierenden Falschheit ein Lichblick im politischen Raum. Nun hat der Innensenator wieder mal in dankenswerter Offenheit in die Welt geblasen, was er vom Koalitionspartner hält und von Bremen überhaupt. Und wir können gespannt zugucken, was passiert – wenn überhaupt was passiert. Wetten, daß nichts passiert? Man möge sich nur mal das Rauschen vorstellen, wenn beispielsweise FDP-Außenminister Klaus Kinkel irgendwo in der Provinz derart unflätig über die CDU und die Bundesrepublik hergezogen wäre. Wir aber sind in Bremen.

Immerhin haben eineinhalb SPD-Obere gestern aufgemuckt – auf Nachfrage. Niemand bei den SozialdemokratInnen ist auf die Idee gekommen, daß die SPD vielleicht von sich aus reagieren müßte. Der CDU scheint das Koalitionsklima eh schnuppe zu sein, Hauptsache, das eigene Klientel wird bedient. Und die Opposition beschränkt sich in Gestalt der Grünen auf ein kleines Frägelchen. Immerhin, aber ein bissel wenig. Die AfB mischt sich bei einem sich anbahnenden Koalitionsstreit lieber gar nicht ein.

Das sind Zeichen einer politischen Kultur, die jeden Maßstab dafür verloren hat, was man als öffentliche Person – zumal als Senator – darf und was nicht. Warnung: Wenn das alles egal ist, dann wird auch bald die politische Klasse eben dies – egal. Jochen Grabler