Bosnier-Helfer sollen teuer bezahlen

■ Behörden fordern Zigtausende für Kriegsflüchtlinge zurück – Bürgen fühlen sich getäuscht

Die Bremer Sozialbehörden treten eine humanitäre Aktion mit den Füßen. Das behauptet der Bremerhavener Rechtsanwalt Gerhard von Müller. Der Jurist vertritt mehrere Klienten, die für jugoslawische Bürgerkriegsflüchtlinge bürgten. Das war Anfang der 90er Jahre deren einzige Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen, da das Bremer Flüchtlingskontingent erschöpft war. Jahre danach flattern den Bürgen nun laut von Müller Rechnungen der Sozialämter ins Haus. Darin die Aufforderung, die Leistungen, die der Staat für die Kriegsflüchtlinge gezahlt hat, zurückzuzahlen.

Es geht in der Angelegenheit um Summen von bis zu 80.000 Mark. Die Bürgen – insgesamt rund 120 BremerInnen – fühlen sich massiv getäuscht. Man habe ihnen nie gesagt, daß sie für den gesamten Aufenthalt der Kriegsflüchtlinge zahlen müßten. Fazit: Rechtsanwalt von Müller klagte.

In einem Fall hatte sein Mandant, ein Bosnier, der bereits seit Jahren in der Bundesrepublik lebte, für einen bosnischen Deserteur gebürgt. „Bei der Ausländerbehörde hat man ihn eine Verpflichtungserklärung nach Paragraph 84 Ausländergesetz unterschreiben lassen“, sagt von Müller. Was der Bosnier nicht wußte: Neben zehn Mark Bearbeitungsgebühr verpflichtete er sich, für den gesamten Lebensunterhalt des ihm eigentlich unbekannten Deserteurs aufzukommen. Dagegen hat der Rechtsanwalt Widerspruch eingelegt. Und bekam recht: Wegen Täuschung. Außerdem machte von Müller einen „Erklärungsirrtum“ geltend. Der Bosnier verstand kaum deutsch.

Ähnlich wie in diesem Fall erging es vielen anderen Ausländern, die schon länger in Bremen wohnen. Allerdings zeigt sich inzwischen, daß nicht nur Ausländer mit schlechten Deutschkenntnissen den Bremer Behörden auf den Leim gingen. Michael Frost spricht fließend deutsch und soll 25.000 Mark zurückzahlen. Der Bremerhavener Geschäftsführer der Grünen hatte sich für eine 15jährige Frau aus Monte Negro verbürgt. „Dabei war klar, daß ich für den Lebensunterhalt der Frau aufkommen muß“, sagt er. „Aber nur für sechs Monate.“ Solange gilt maximal das Touristenvisum, das die Frau wegen der Bürgschaft erhalten hatte. Danach erhielt sie eine Duldung vom Ausländeramt und Geld vom Sozialamt. Für Frost war die Sache gegessen. Jetzt bangt er, weiter zahlen zu müssen. Die Frau hat gute Chancen, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Frost: „Allerdings habe ich Widerspruch gegen dieses Bosnier-Zwangsleasing eingelegt.“

Die Bremer Grünen fordern jetzt von Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD), die Forderungen fallen zu lassen. Arendt Hindriksen, ausländerpolitischer Sprecher der Fraktion, behauptet zudem, daß hinter der ganzen Aktion vor allem Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) steckt. „Borttscheller will damit die Bosnier schneller aus Bremen treiben“, so Hindriksen. Merve Schröder, Sprecherin von Borttscheller, verweist das ins Reich der Märchen. „Die Forderungen stellt Soziales auf.“

Verantwortlich für die „Aktion“ ist tatsächlich Soziales, sagt Holger Bruhns-Kösters, Wischers Sprecher. Er hält den Vorgang für ganz normal. „Wer die Verpflichtungserklärung unterschreibt, muß sich im klaren darüber sein, daß er auch zahlen muß. So steht es im Gesetz.“ Und daran seien die Behörden gebunden. Zudem sagt Bruhns-Kösters, daß die Rechnungen der Sozialämter nicht auf einmal gestellt wurden. „Die haben immer wieder abgerechnet.“ Dem widerspricht Rechtsanwalt von Müller. Zudem stellt sich die Frage, warum die Sozialämter dann überhaupt erst gezahlt haben? Jens Tittmann